Ultimativer Kick am Zehner
Urlaub zuhause, ein kühner Kopfsprung ins kühle Nass – die Abendzeitung testet für Sie die Münchner Freibäder. Heute: Das Michaelibad am Ostpark in der Heinrich-Wieland-Straße
Ohne mit der nassen Wimper zu zucken, klettert der Schüler Ali (18) an den Stufen des 10-Meter-Sprungturms hoch. „Das Springen tut wirklich nicht weh“, ruft er dem halben Dutzend Kinder zu, die lieber festen Boden unter den Füßen haben. Dann macht er einen weiten Satz nach vorne – und taucht mit den Füßen voran ins Becken ein.
„Für viele ist das eine Art Mutprobe mit einem ganz besonderen Adrenalin-Kick und dem Gefühl von Freiheit“, sagt Erich Kühberger (42). Mit 14 Jahren sprang der Leiter des Michaelibades zum letzten Mal vom 10-Meter-Brett. „Eigentlich wollte ich wieder hinunterklettern, aber weil alle Mädchen aus meiner Klasse auf mich starrten, musste ich doch springen, da hätte ich mich ja sonst blamiert“, gibt der durchtrainierte Schwimmmeister heute zu.
Bammel auf dem Sprungturm
Das Michaelibad besteht seit 1955, wurde 1997 komplett umgebaut und ist seitdem das einzige Münchner Freibad, das einen 10-Meter-Sprungturm zu bieten hat. Der Name „Michaeli“ stammt noch von dem alten Münchner Stadtteil „Michaeliburg“ ab, der heute Berg am Laim heißt. Zu den Attraktionen gehören auch ein Siebeneinhalber, ein Fünfer, drei Dreier und zwei Einser. „Wir haben hier richtige Freizeit-Kunstspringer, die bieten vom doppelten Salto bis zum Flip-Flop wirklich einiges für die Zuschauer.“ Vor allem aber für die Mädels. „Doch dabei überschätzen sich auch viele“, meint der Meister für Bäderbetriebe. „Wenn sie dann erst mal ganz oben auf dem Zehner stehen, kriegen manche schon ganz schön Angst, weil das Sprungbecken plötzlich ganz klein aussieht.“
Viel Spaß und Action gibt’s natürlich auch im Strömungskanal des Attraktionsbeckens. Mehr als fünf Düsen reißen Kinder und ihre Eltern mit hoher Geschwindigkeit in einen Halbkreis. „Für viele ist es oft überraschend, wie schnell der Strudel ist“, hat Erich Kühberger beobachtet. Lachend tauchen gerade Danuka Kuranda (32) und ihre fünjährige Tochter am Ende der 60 Meter langen Rutsche ins Becken ein.
„Ab und zu veranstalten wir auch ein Wettrutschen“, erzählt Kühberger, „da versuchen manche, ohne Badehose mit nacktem Hintern mitzumachen, weil’s dann schneller geht – aber das ist natürlich verboten.“
An heißen Tagen findet man auch unter einem Wasserpilz Abkühlung. Oder man lässt den Wasser-Vorhang auf sich herunterrieseln. Zwischen 30 und 10000 Gäste kommen laut Kühberger täglich. Die ganz Hartgesottenen stehen konsequent bei jedem Wetter frühmorgens schon vor der Öffnung an der Kasse – fix und fertig im Bademantel.
Diesen hat Schüler Ali heute mal zu Hause gelassen. Gerade taucht er wieder aus dem Sprungbecken auf. Den größten Teil seiner Sommerferien wird er wohl hier verbringen: Im Michaelibad, auf dem Turm.Sebastian Müller
Freizeitmöglichkeiten
Sportbecken (50 Meter), Erlebnisbecken mit Edelstahlrutsche, Strömungskanal, Wasserpilz und Massagedüsen, Trampolin. Es gibt auch Familien-FKK. Für Fans von trockenen Sportarten sind zwei Beach-Volleyball-Felder, eine Fußballwiese und ein Basketballfeld angelegt. Note: 1
Liegewiese:
70 000 Quadratmeter – entweder mit viel Action oder mit Ruhe, je nachdem, was man haben will. In dem neu eröffneten westlichen Teil gibt es Platz zum Relaxen unter Schatten spendenden Bäumen. Note: 1
Sauberkeit:
Vorbildliche Mülltrennung, zahlreiche Papierkörbe, Seife auf dem WC ist aufgefüllt, elektrischer Händetrockner auf dem Männer-WC funktioniert. Die Duschräume sind recht klein und der Boden dort könnte sauberer sein. Draußen gibt es zusätzlich zahlreiche Kaltduschen für die Asketen unter den Gästen. Note: 2
Gastronomie:
Schnuckeliger kantinenartiger Kiosk mit Selbstbedienung. Aus dem Ofen von Wirtin Gabriele Hacker gibt es selbstgebackene Laugenstangen (1,20 Euro), Käsebrezen (1,50) oder Tomaten-Mozzarella-Panini (3,50). Auch die Soße der Currywurst mit Pommes (4,50) stammt aus ihrem eigenen Rezeptbuch. Ausgezogene kosten 2,50 Euro. Zum Trinken gibt es Capri-Sonne für 80 Cent, 0,5 l Wasser für 2,80, Apfelsaftschorle oder ein Helles Bier für je 3 Euro. Note: 1
Publikum
Viele Familien mit Kindern und haufenweise Jugendliche. Wer Exotik, Internationalität und Temperament mag, fühlt sich hier garantiert wohl. Der schlechte Ruf wegen einiger Hitzköpfe ist unbegründet: Laut Badleitung gab es 2008 keinen einzigen Polizeieinsatz. Auch Ruhesuchende finden garantiert ihr Plätzchen. Note: 2
Flirtfaktor
Familien flirten nicht unbedingt wie die Weltmeister. Wenn überhaupt, ergibt sich ein Smalltalk beim Sprungturm, doch selbst dort sind eher Kinder.
Besonderheiten
Familien-FKK. Mittwochs von 10.15 bis 11 Uhr trifft sich die Gymnastikgruppe – die Teilnahme ist kostenlos.
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