Ukrainer beim "Morningman": Radio-Star Mike Thiel nimmt Flüchtlinge auf

Tränen und Käsekuchen zur Ankunft: Radio-Star Mike Thiel hat mit seiner Familie drei Ukrainer bei sich aufgenommen – in der AZ erzählt der "Morningman", warum er nicht nur hilflos zuschaut.
von  Kimberly Hagen
Als eine Rakete ihr Nachbarhaus im ukrainischen Odessa zerstört hat, sind sie "einfach losgerannt" – und nach achttägiger Flucht bei Mike Thiel (l.) am Ammersee angekommen: Abed (2. v. l.), Karina und Natasha (r.) wohnen jetzt beim Radio-Moderator und seiner Familie.
Als eine Rakete ihr Nachbarhaus im ukrainischen Odessa zerstört hat, sind sie "einfach losgerannt" – und nach achttägiger Flucht bei Mike Thiel (l.) am Ammersee angekommen: Abed (2. v. l.), Karina und Natasha (r.) wohnen jetzt beim Radio-Moderator und seiner Familie. © privat

München - Die Initialzündung war ein Gespräch am vorvergangenen Wochenende. Da setzte sich Mike Thiel mit seiner Frau und den vier Kindern (11, 13, 15, 24) hin – und sie redeten über die schrecklichen Nachrichten aus der Ukraine.

"Wir fühlten uns, wie viele andere Menschen in München und auf der ganzen Welt, so hilflos – und wollten gleichzeitig irgendwie helfen", berichtet der Moderator, der als "Morningman" in seiner täglichen "Mike Thiel Show" (5 - 9 Uhr) das prominente und sympathische Aushängeschild von Radio Gong 96,3 ist, der AZ.

Mike Thiel: "Plötzlich ist der Krieg vor unserer Haustüre"

"Krieg war für uns immer weit weg, höchstens etwas, wovon Oma und Opa erzählten. Plötzlich ist der Krieg vor unserer Haustüre. Ich wollte etwas gegen die Ohnmacht tun, die zusätzlich schmerzt. Also hatte ich die Idee, dass wir den vielen Menschen, die aus der Ukraine flüchten, schnell und unbürokratisch helfen müssen."

Ihm und seiner Familie war sofort klar: "Auch wir wollen eine ukrainische Gastfamilie bei uns aufnehmen. Wir sind zu sechst, oft sind Freunde der Kinder da, ein paar Menschen mehr unter unserem Dach kriegen wir auch gewuppt."

Auf der Homepage von radiogong.de kann jeder, der gerne mit einem Zimmer oder einer Ausziehcouch helfen möchte, das Formular "Wohnraumüberlassung" ausfüllen (gleichzeitig werden dort alle wichtigen Fragen beantwortet) – und bekommt dann Bescheid.

Radiosender wird zur Anlaufstelle für Geflüchtete

Unter dem Gong-96,3-Sender in der Richard-Strauss-Straße war eine 1.000 Quadratmeter große Büro-Etage frei, die nach Mike Thiels Vorschlag vom Vermieter zur Anlaufstelle für alle aus der Ukraine Ankommenden umfunktioniert wurde. Hier wimmelt es aktuell vor Geflüchteten und Helfern.

Am Sonntag bekam Thiel den Anruf – seine neuen Mitbewohner seien jetzt da, er könne sie abholen. "Ich war ganz aufgeregt", erzählt der Moderator.

Mit einem Rucksack und zwei Tüten standen sie nach achttägiger Flucht aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa über Moldawien, Rumänien, Ungarn und Österreich vor ihm: Natasha (37), ihr Mann Abed (25) und ihre Tochter Karina (13; aus einer früheren Beziehung).

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Flüchtlinge aus Odessa: "Es ging um Leben und Tod"

"Das war hochemotional", sagt Thiel. "Sie waren wirklich am Ende – und so dankbar, Schutz und ein Dach über den Kopf zu bekommen. Es sind viele Tränen geflossen. Eigentlich wollten die drei in Odessa bleiben, aber als eine Rakete ihr Nachbarhaus zerstört hat, sind sie einfach losgerannt. Es ging um Leben und Tod."

Mit Mann Abed, ein gebürtiger Algerier, kann sich Thiel auf Englisch unterhalten, Natasha spricht leider nur Ukrainisch – und die Tochter lernt Deutsch in der Schule, spricht es aber bisher etwa so gut "wie meine Kinder Französisch", so der Radio-Liebling. "Doch das sind die geringsten Probleme. Das gibt sich alles. Vielleicht kann Karina ja mit meiner 13-jährigen Tochter in die Schule gehen."

Selbstgemachter Käsekuchen als Willkommensgruß

Als er die Familie zu sich nach Hause an den Ammersee gefahren hat, werden sie von seiner Frau mit einem selbstgebackenen Käsekuchen begrüßt.

"Danach sind sie völlig erledigt ins Bett gefallen. Auf ihrer achttägigen Flucht haben sie nur an einem Tag kurz geschlafen. Das ist schon alles Wahnsinn", sagt Mike Thiel.

Wie es weitergeht? "Das fragen sich alle", meint er. "Und keiner kennt die Antwort. Abed will Ingenieur werden, in zwei Monaten wäre er mit dem Studium fertig gewesen. Jetzt ist seine Zukunft und das seiner Familie wie bei Millionen anderen Ukrainern ein einziges Fragezeichen."

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