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Uhrmacherhäusl: War es Profitgier oder ein Versehen?

Vor fünf Jahren soll der Käufer einen Bauunternehmer beauftragt haben, das denkmalgeschützte Haus in Giesing schwer zu beschädigen. Doch stimmt das so?
von  AZ/dpa
So sah das Uhrmacherhäusl nach dem Abriss aus.
So sah das Uhrmacherhäusl nach dem Abriss aus. © Schramek/Archiv

München - Am 1. September 2017 hat ein Bagger das denkmalgeschützte Uhrmacherhäusl in Giesing so sehr beschädigt, dass es abgerissen werden musste. Für viele war schnell klar: Der Käufer des Hauses wollte mit der Aktion an der Oberen Grasstraße 1 Platz schaffen - für teuren Wohnraum und mehr Profit. Doch trieb ihn wirklich die Gier an? Oder war es ein Versehen?

Uhrmacherhäusl-Eigentümer vor Gericht

Seit Montag ist ein Gericht mit diesen Fragen beschäftigt. Es soll auch klären, ob der Eigentümer die Bewohner des Hauses herausgeekelt hat.

Denn er soll unter anderem im Winter die Haustür ausgehängt und Dachziegel entfernt haben, damit es hineinregnet. Auch das Wasser soll er abgedreht haben.

Angeklagter bestreitet Pläne für Abriss

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Der Angeklagte, der das Grundstück für 650.000 Euro kaufte, soll von Anfang an den Plan gehabt haben, das Gebäude abzureißen. Doch wegen des Denkmalschutzes war das nicht möglich. Er habe deshalb einen Bauunternehmer damit beauftragt, das Haus im Herbst 2017 mit einem Bagger absichtlich zu zerstören. "Hierbei sollte für Dritte der Eindruck entstehen, dass das bauliche Vorgehen ein Versehen war", so die Staatsanwältin.

Der Angeklagte bestreitet das. Er beantwortete selbst keine Fragen, sondern ließ seine Anwälte sprechen. Die machten klar, wie sich ihr Mandant sieht: als einen Sündenbock, der von Politik und Presse voreilig verurteilt wurde.

Verteidiger im Uhrmacherhäusl-Prozess schiebt Schuld auf Bauunternehmer

Tatsächlich hatte sogar Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärt, dass man Profitgier nicht mit der Abrissbirne durchsetzen könne. Für Simone Burger vom Mieterverein zeigt der Fall, "wie rabiat es auf dem Münchner Mietmarkt zugeht".

Doch was, wenn der Angeklagte nicht der rücksichtslose Spekulant ist, was, wenn er das Haus kaufte, um selbst darin zu wohnen, fragte sein Anwalt.

Schließlich lebe der Angeklagte zur Miete in einem Reiheneckhaus in Neuried. Das Leben eines Immobilienhais sehe anders aus, wollten seine Verteidiger damit wohl suggerieren. Fragen zu seinem Umgang mit den Mietern an der Grasstraße wollte der Angeklagte am Montag aber nicht beantworten. Aus Sicht der Verteidiger trägt für dieses "tragische Unglück" nur einer die Verantwortung: der Bauunternehmer, den der Angeklagte mit der Sanierung des Hauses beauftragt hatte und der sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe.

Das Urteil könnte Mitte Juli fallen

Vor Gericht beantwortete der Bauunternehmer die Fragen zwar persönlich, aber auf Türkisch. Eine Dolmetscherin übersetzte. Er habe in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt. Es habe nur ein weiteres großes Projekt gegeben - etwa 250 Kilometer weit weg in Neuenstein im Hohenlohekreis in Baden-Württemberg.

Um seine Familie zu ernähren, habe er jeden Tag etwa 20 Stunden gearbeitet, geschlafen habe er nur im Auto. Die Organisation seiner Aufträge habe seine Frau übernommen, weil die besser Deutsch spreche. Allerdings sei ihr ein Fehler passiert: Statt nach Neuenstein habe sie einen Bagger nach München bestellt. Und auch die Arbeiter sollen sich auf der falschen Baustelle befunden haben, auch sie sollten in Baden-Württemberg arbeiten.

Ob das Gericht das glaubt, wird sich im Laufe des Sommers zeigen. Das Urteil könnte Mitte Juli fallen. Eines ist aber schon jetzt klar: Der Angeklagte muss das Häuschen in seinem Originalzustand wieder aufbauen. Das hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden.

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