Überschuldung und Insolvenz: Wie man aus der Schuldenfalle kommt
Die Gründe für Überschuldung (Hier den Münchner Schuldneratlas 2017 nachlesen) sind vielfältig – und sie werden immer komplexer. Erika Schilz von der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung über Münchner Mieten, die Konsumwelt und die Einsicht, arm zu sein.
AZ: Frau Schilz, Ihre Klienten: Aus welchen Gründen sind die überschuldet?
ERIKA SCHILZ: Die Arbeitslosigkeit steht unverändert an erster Stelle. Bei etwa jedem Fünften, der zu uns kommt, ist sie eine der Hauptursachen, auch wenn sie von der Häufigkeit etwas rückläufig ist. Sie ist dicht gefolgt vom niedrigen Einkommen, gescheiterter Selbstständigkeit, Trennung und Scheidung. Und was eindeutig zugenommen hat, sind Erkrankungen und Probleme bei der Haushaltsführung.
Was bedeutet das genau?
Es ist in München oft der Fall, dass das Haushaltsbudget sehr, sehr eng kalkuliert ist, um die Mieten und die Lebenshaltungskosten hier finanzieren zu können. Schon eine Mieterhöhung bringt da das enge Budget schnell zum Scheitern.
Das Problem Münchner Mietmarkt merken Sie also?
Natürlich. Insbesondere Sanierungen und Gentrifizierung ist da ein ganz großes Thema geworden. Man sieht es ja: Die Überschuldungsquote in der Altstadt und im Lehel ist am stärksten angestiegen.
Was heißt das für die Menschen, die Sie beraten?
Sagen wir so: Wir hatten letztens einen Betroffenen, der am Ende seines Beratungsprozesses sagte: "Ich habe verstanden, ich bin arm." Er hat eingesehen, dass er nur zur Mittelschicht gehören kann, wenn er Schulden macht. Und bei diesen Fällen geht es nicht um Luxusgüter. Da geht es um die Teilhabe am normalen Leben.
Häufen sich solche Fälle?
Das tun sie. 2013 haben 40 Prozent der Betroffenen, die zu uns kamen, über ein Monatseinkommen von mehr als 1300 Euro netto verfügt. Ende 2016 waren es über 60 Prozent. Das heißt, es steht mehr Geld zur Verfügung, aber es reicht trotzdem nicht aus, um die steigenden Kosten aufzufangen.
Wird es immer leichter, sich zu ver- und überschulden?
Absolut. Das ist ja von der Wirtschaft auch gewünscht, der Konsum ohne Fremdfinanzierung ist ja gar nicht mehr vorstellbar. Und allein die Werbung: Die Bedarfslage der Menschen wird immer besser erfasst, es wird zielgerichteter, personalisierter geworben.
Um welche Summen geht es eigentlich, wenn wir von "Überschuldung" sprechen?
Die durchschnittliche Überschuldung unserer Klientinnen und Klienten beläuft sich auf 33.000 Euro, zu zahlen an acht Gläubiger. 2016 waren es 36.000 Euro bei elf Gläubigern.
Wie können Sie da helfen?
Der erste Schritt ist, dass die Betroffenen unsere Beratungsstelle aufsuchen, also sich der Problematik stellen. Für die Menschen ist es schon eine riesige Erleichterung, offen über die Schulden sprechen zu können. Und dann helfen wir, indem wir gemeinsam den Haushalt anschauen, wo Veränderungen möglich sind, woher man Gelder nehmen kann, um Gläubigern ein Angebot unterbreiten zu können. Für 70 Prozent ist die Lösung tatsächlich ein Insolvenzverfahren.
Man braucht ja erstmal die Erkenntnis: Ich komme da nicht mehr allein raus. Gibt es Alarmzeichen, die man an sich selbst erkennen kann?
Ein Zeichen ist die Angst davor, zum Briefkasten zu gehen, weil Rechnungen darin sein könnten. Wenn das Girokonto überzogen ist und Schreiben von der Bank kommen, Mahnungen seitens der Gläubiger mit konkreten Sanktionen wie dem Gerichtsvollzieher, dann ist es schon sehr weit. Viele versuchen es zu lange selbst und stopfen letztlich nur ein Loch mit dem anderen. Wir wollen da motivieren, sich sehr, sehr früh Hilfe zu suchen.
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