»Überraschungen hab ich dick«

MÜNCHEN - Er war Weltmeister, Wasserträger, der weltbeste Vorstopper seiner Zeit. Und er wurde zur Kultfigur.. Heute kommen die Fans gern auf ein Ratscherl in seinem Laden vorbei: »Katsche« Schwarzenbeck wird 60.
Natürlich hat der Katsche auch am Donnerstag auf. Ab sechs in der Früh steht er in seinem Laden, und am Abend um sechs, dann geht er wieder heim. So wie immer. Ein Katsche Schwarzenbeck sperrt doch nicht zu, bloß weil er 60. Geburtstag hat. Am End’ müsst’ er sich noch feiern lassen. „Überraschungen hab’ ich fürchterlich dick“, sagt er, „und so a Geburtstag, des is doch bloß a Zahl.“
Schwarzenbeck. Weltmeister, Schreibwarenhändler, Kultfigur. Und ein Jubilar. 416 Bundesligaspiele machte er, alle für die Bayern, dazu 44 Länderspiele. Fünfmal war er Deutscher Meister, viermal gewann er einen Europacup, drei Mal den DFB-Pokal, je einmal war er Weltmeister, Europameister und Weltpokalsieger. Seinerzeit war der weltbeste Vorstopper.
Für Beckenbauer die Gegner aus dem Weg geräumt
Den Vorstopper gab es in Zeiten, als die Haare und Koteletten noch länger waren, auch die von Schwarzenbeck. Ein Ausputzer war Schwarzenbeck, der für Beckenbauer die Gegner aus dem Weg räumte. „Der Franz wär’ aber aa ohne mich a Star worden, mir hamm einfach zammpasst“, sagt er hinter seiner Theke, wo er einem Buben mit seinem dicken Schulranzen den Einkauf ausrechnet. „A Micky Maus und an Radiergummi, zwoa fuchzig, bittschön.“
Als der Hans-Georg ein Schulbub war, wuchs er in Harlaching auf. Hinten am Perlacher Forst. Der Papa war Jusitzvollzugsbeamter in Stadelheim, die Mama starb früh. In der Rotbuchenstraße ging er auf die Grundschule, und da gaben sie ihm auch seinen Spitznamen. „Über Nacht war ich dann amal der Katsche“, sagt Schwarzenbeck, „ich hab zwar nie gwusst warum, hab’s aber aa nie mehr loskriegt.“ Ein Katsche für die Ewigkeit.
Ein Jahrzehnt voller Erfolge
Bald kickte er für FC Sportfreunde, die ihren Platz gleich neben dem der Bayern an der Säbener Straße hatten. Und so fiel er dort Bayern-Jugendtrainer Rudi Weiß auf, der ihn 1966 zu den Roten holte. „Ab da“, sagt Schwarzenbeck, „war’s wie im Traum.“ Es folgte ein Jahrzehnt voller Erfolge.
Mit seinem persönlichen Triumph. Mai ’74 in Brüssel.
..und dann kam "Katsche"
Zum ersten Mal standen die Bayern im Pokal der Landesmeister im Endspiel. In der letzten Minute der Verlängerung lag Atletico Madrid einsnull vorn, doch dann kam Schwarzenbeck. „Eigentlich hatten wir ihm ja verboten, über die Mittellinie zu gehen“, erinnert sich Uli Hoeneß, der damalige Mitspieler und heutige Manager. Aber der Katsche hielt sich nicht dran, und traf aus 30 Metern zum 1:1, das Wiederholungsspiel gewann Bayern viernull.
Unmittelbar nach Schwarzenbecks Ausgleich fiel im Heysel-Stadion noch das Flutlicht aus, woher auch diese wunderbare Münchner Redensart stammte, die in manchen Familien lange benutzt wurde, wenn etwa daheim beim Abendbrot, bei Pfundweckerl, Pressack und Radieserl über dem Küchentisch die Glühbirne durchbrannte:
„Jessasna. Hat der Katsche wieda d’Liachta ausgschossn.“
Allen Angeboten widerstanden
1976 holten die großen Bayern um Sepp Maier, Gerd Müller, Hoeneß, Beckenbauer und Schwarzenbeck ein letztes Mal den Europacup, dann zerbrach die Mannschaft. Schwarzenbeck hörte 1980 auf. Nach 14 Jahren bei Bayern, wo er nie weg wollte. Drei Mal hatte er Angebote. Von Manchester United, von Feyenoord Rotterdam und Hertha BSC Berlin. Sie alle lehnte er ab. „I war koa Wandervogel“, meint er und sagt noch: „Und i bin’s heit aa ned.“
Nach der Karriere übernahm der gelernte Buchdrucker von seinen beiden Tanten den Schreibwarenladen in der Ohlmüllerstraße, und schon bald kamen sie in die Au gepilgert. Vor allem Fans von auswärts, vor einem Bayern-Spiel oder nach einem Training an der Säbener Straße, „die wolln dann auf a Ratscherl mal beim Schwarzenbeck vorbeischaun.“ Und das freut ihn auch immer, weil er ja gern von alten Zeiten erzählt, und manchmal darf er dann sogar auch Autogramme schreiben. Stifte hat er ja genug in seinem Laden.
Auch bei Bayern: Tochter Heide
Und wenn bei den Bayern Weltstars wie Luca Toni oder Franck Ribéry ihre Millionen-Verträge unterzeichnen, dann machen sie das auch mit Katsches Kugelschreibern. Denn Schwarzenbeck beliefert die Geschäftsstelle der Bayern noch immer mit dem gesamten Büromaterial.
Dort trifft er dann auch seine Tochter Heide, die 32-Jährige aus der Rechtsabteilung des FC Bayern. „Ein super Papa“, sagt sie, „mein Vater ist ein wunderbarer lieber und herzensguter Mensch. Den geb ich nimmer her.“ Am Samstag braucht sie das bestimmt nicht tun, da ist sie mit der Familie dann beieinander. Papa Katsche, Mama Hannelore, die immer noch in Harlaching leben, in einem Häusl am Waldrand, und Bruder Martin (34), einem Betriebswirt. Abends wollen sie schön essen gehen.
Und am Montag sperrt der Katsche wieder auf. Bereut hat er es nie, dass er nicht wurde wie Franz Beckenbauer, keine Lichtgestalt, die unentwegt um den Globus fliegt. „Mei“, sagt Schwarzenbeck, „der Franz ist in der Weltgschicht. Und ich bin in meinem Laden. Aber mir is des recht. Ich hab gern mei Ruah.“
Wenn Beckenbauer durch die Tür eines Flugzeugs steigt, dann geht es manchmal nach New York und manchmal nach Sydney. Wenn Schwarzenbeck durch die Tür seines Ladens geht, dann fährt draußen die 27er vorbei. Mal zur Schwanseestraße und mal zum Petuelring.
"So lang’s geht, steh ich da herin"
„Wenn ich da herin ned zfrieden wär“, sagt Schwarzenbeck, „dann wär’ ich längst ausbrochen.“ Aber bei Schwarzenbecks bricht keiner aus. Dafür sorgte schon der Vater in Stadelheim. Nur einmal, da leistete sich der Katsche einen Ausbruch. Über die Mittellinie. ’74 in Brüssel.
Wann er den Laden für immer zusperrt, weiß er nicht. „So lang’s geht“, sagt er, „steh ich da herin.“ Um Zeitungen zu verkaufen und Heftl, Bleistifte und Briefkuverts, und um Leute da zu haben, die wegen ihm vorbeischauen.
Auf a Ratscherl beim Schwarzenbeck.
FLORIAN KINAST