Über sechs Millionen Euro: Stadt spart beim öffentlichen Nahverkehr
München - Womöglich müssen die Münchner in Zukunft ein wenig länger auf den Bus warten, in der Innenstadt länger nach einer Toilette suchen und sich an mehr Müll gewöhnen.
Stadtrat streicht Zuschüsse für den ÖPNV
Denn der Stadtrat hat am heutigen Dienstag Kürzungen beim Budget des Wirtschaftsreferats von etwa zehn Millionen Euro beschlossen. Größten Anteil machen dabei gestrichene Zuschüsse für den öffentlichen Nahverkehr von mehr als sechs Millionen Euro aus.
Aber auch bei den öffentlichen Toiletten spart die Stadt 90.000 Euro. Denn sie streicht das Konzept der "Netten Toilette". Dieses Geld hatten Händler und Gastronomen bekommen, damit sie eine kostenlose Toilette zur Verfügung stellen. Auch die Reinigung der Theresienwiese wird auf das "absolut Notwendigste reduziert", wie es in dem Beschluss heißt.
Corona-Krise: Stadt muss laufende Ausgaben reduzieren
Grund für diesen Sparkurs ist, dass die Stadt wegen Corona weniger Geld einnimmt. Bereits im Winter hatte die Kämmerei angekündigt, dass die Stadt ihre laufenden Ausgaben jährlich um 200 Millionen Euro reduzieren muss.
"Doch diese Sparmaßnahmen wird der Bürger spüren", glaubt Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU). Besonders, dass die Stadt den öffentlichen Nahverkehr weniger stark bezuschussen will, hätte er gerne verhindert, sagt er.
MVV soll 3,4 Millionen Euro weniger bekommen
Allerdings hätte sein Referat sonst gar keinen Haushalt verabschieden können. So schildert es der Referent, der auch Mitglied der CSU ist, die das Sparpaket - ebenso wie den gesamten Haushalt - ablehnte. Grüne und SPD sehen hingegen keine Alternative, als in der Krise zu sparen.

Konkret soll der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) nun 3,4 Millionen Euro weniger bekommen. Dies werde "erhebliche Einschränkungen im ÖPNV mit sich bringen", heißt es in der Beschlussvorlage. Auch die Münchner Verkehrsgesellschaft muss mit rund 2,7 Millionen Euro weniger an Zuschüssen rechnen.
Express-Buslinie zum Tierpark eingestellt
Dabei haben die Verkehrsbetriebe bereits jetzt ihr Angebot ausgedünnt: Zum Beispiel hat die MVG den Takt bei Bus und Tram zwischen 20 und 22 Uhr reduziert. Viele Linien fahren um diese Zeit nur noch alle 20 Minuten. Auch die U4 fährt bloß noch im Zehn- statt im Fünf-Minuten-Takt. Und die Express-Buslinie zum Tierpark wurde sogar ganz eingestellt.
Drohen die Fahrpläne jetzt noch weiter in sich zusammenzuschrumpfen? "Bei einer dauerhaften Reduzierung der Zuschüsse müssten wir das Angebot in der entsprechenden Größenordnung kürzen", heißt es von der MVG.
Der MVV antwortet auf eine Anfrage der AZ, dass das Unternehmen vordergründig Einsparmaßnahmen prüfe, die sich möglichst nicht auf die Attraktivität des ÖPNV auswirken. Ansonsten sehen die Verkehrsbetriebe die Verkehrs- und Klimawende gefährdet.
Rathaus-SPD fordert Geld von Bund und Freistaat
Dass Grün-Rot täglich die Verkehrswende predige, nun aber ausgerechnet beim öffentlichen Nahverkehr sparen wolle, passt aus Sicht des CSU-Fraktionsvorsitzenden Manuel Pretzl nicht zusammen.
Doch das Loch, das Corona in den Haushalt riss, könne die Stadt alleine nicht stopfen, meint die SPD. Deren Fraktionsvorsitzender Christian Müller fordert deshalb Geld von Bund und Freistaat. Ansonsten werde die Stadt bald nicht nur bei Toiletten und beim Nahverkehr sparen müssen, sondern auch bei den Sozialleistungen.

Deshalb beantragten SPD und Grüne einen staatlichen Rettungsschirm für den ÖPNV. Sebastian Weisenburger (Grüne) hofft, dass die Verkehrsbetriebe nur bei Bürokosten sparen und ihre Verwaltung optimieren. Doch zumindest Wirtschaftsreferent Baumgärtner bezweifelt, dass das reicht.