Ude: So will er die CSU besiegen

Hier erklärt OB Ude, wie ihn Genossen aus ganz Bayern zur Kandidatur ermuntern – und dass der Aufstieg vom Stadt- zum Landesvater für ihn gar keine große Sache wäre.
von  Michael Schilling
Christian Ude, hier mit Besuchern beim Tag der offenen Tür im Rathaus, will viel Zuspruch erfahren haben in diesen Tagen: „So eine Resonanz habe ich noch nie erlebt und auch nicht erwartet. Ich kenne fast meine bayerische SPD nicht mehr."
Christian Ude, hier mit Besuchern beim Tag der offenen Tür im Rathaus, will viel Zuspruch erfahren haben in diesen Tagen: „So eine Resonanz habe ich noch nie erlebt und auch nicht erwartet. Ich kenne fast meine bayerische SPD nicht mehr." © Hess

Im AZ-Interview erklärt OB Christian Ude, wie ihn Genossen aus ganz Bayern zur Kandidatur ermuntern – und dass der Aufstieg vom Stadt- zum Landesvater für ihn gar keine große Sache wäre. Kurz: Er ist bereit.

Es fühlt sich noch neu an, ungewohnt: Christian Ude (63) will 2013 Ministerpräsident werden. Da mag man, zumal als Münchner, ein Fragezeichen dahinter setzen. Weil Ude doch der scheinbar ewige OB ist. Weil er sich so oft schon dagegen gestemmt hat, sich als viriles oberbayerisches Zugpferd vor den lahmen Karren der Landes-SPD spannen zu lassen. Und jetzt soll das anders sein?

Ja, es soll. „Fünf Prozent Zuwachs traue ich mir zu“, sagte Ude im „Deutschlandfunk“ mit Blick auf die Landtagswahl. „Und wenn die Grünen ihre Stärke behaupten und die Freien Wähler auch, dann ist das allemal eine Mehrheit.“ Die Bedingungen, die er für seine Kandidatur gestellt hat (AZ berichtete), scheinen erfüllt. Die AZ spricht mit ihm.

AZ: Grüß Gott, Herr Ude, Sie haben der Bayern-SPD Bedingungen diktiert für den Fall, dass Sie als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf 2013 ziehen. Jetzt sind wir neugierig: Wie viele Gratulationen von den Genossen haben Sie denn am langen Wochenende danach erreicht?

CHRISTIAN UDE: Ich habe eine enorme Resonanz in allen erdenklichen Formen erhalten: Anrufe, Mails, SMS, Briefe. Von Gratulation ist da nicht die Rede – aber von Aufforderung. Eine so hundertprozentige Resonanz habe ich noch nie erlebt und auch nicht erwartet. Ich kenne fast meine bayerische SPD nicht mehr.

Von wie weit weg kamen denn Reaktionen?

Die fernen sind natürlich die viel wichtigeren. Da ist viel Mittel-, Ober- und Unterfranken dabei, Niederbayern und Oberpfalz – was mich besonders bewegt, weil ich damit am wenigsten gerechnet hatte.

Ui! Sie klingen ja schon fast wie ein angehender Landesvater.

(lacht) Ich denke, dass der Unterschied zwischen Landesvater und Stadtvater nicht gigantisch ist. Aber nein, nein, hier wird kein Bärenfell verteilt, bevor es auf die Jagd geht. Aber dafür schaut es nicht schlecht aus, dass wir uns tatsächlich auf den Weg machen.

Der Zuspruch sei Ihnen ja gegönnt. Aber Sie wissen doch nur zu gut: Ein einzelner Sozi schickt schnell mal eine wohlmeinende SMS. Aber wenn dann mehrere Sozen in einem SPD-Gremium zusammen kommen, ist die Meinung mitunter eine ganz andere. Fürchten Sie das nicht?

Ich habe nicht diese Furcht. Aber ich weiß sehr wohl, dass man von so vielen Mails und Anrufen nicht auf Gremien schließen darf. Deswegen habe ich ja gesagt, es muss im Herbst nach meinem Urlaub Gespräche geben: mit dem Landesvorstand, mit der Landtagsfraktion und mit der Münchner SPD. Alle drei müssen es selbstverständlich mittragen, damit es Sinn macht.

Sie klingen so heiter, dass gar nicht mehr vorstellbar erscheint, dass Sie doch nicht antreten.

Es hat sich tatsächlich in den letzten zwei Wochen täglich das Bild freundlicher gestaltet, als ich es mir vorher vorstellen konnte – auch was die Reaktion der maßgeblichen Persönlichkeiten bei den Grünen angeht. Von Herrn Janecek (Dieter Janecek ist Landesvorsitzender der bayerischen Grünen, d. Red.) habe ich noch nie etwas Aufmunterndes vernommen. Aber wie Margarete Bause sich im Namen der Landtagsfraktion in einem Zeitungsinterview geäußert hat, das deutet schon darauf hin, dass die Chance gesehen wird und genutzt werden soll, einen Regierungswechsel in Bayern herbei zu führen.

Und Ihre Bedingungen? Geht die Partei da vor Ihnen in die Knie?

Da muss man unterscheiden zwischen den Bedingungen und den Schwerpunkten, von denen ich gesprochen habe. Beim Thema Privatisierung, das sicher ein Schwerpunkt ist, waren die Bayern-SPD und ich immer ein Herz und eine Seele. Ich habe sogar Proteste gegen die Bahn-Privatisierung unterstützt – und stimme in diesen Fragen auch mit dem linken Flügel der Partei überein. Die CSU-Regierung in Bayern hat sich vor allem durch die Privatisierung oder das Missmanagement öffentlicher Gesellschaften desavouiert. Ob es der Verkauf der Bayernwerke war, wo jetzt bei Eon bayerische Arbeitsplätze davon schwimmen. Oder ob es die Landesbank war, ob es das S-Bahn-System ist: Immer hat die CSU gerade hier einen inkompetenten Eindruck gemacht – im Gegensatz zu ihrem althergebrachten Image. Das muss ein Schwerpunktthema sein.


Okay. Dann zu Ihren Bedingungen.

Eine Bedingung war das Thema dritte Startbahn – aber nur an die bayerische SPD gerichtet. Mir ist selbstverständlich klar, dass jede Partei ihr Programm selber beschließt. Es ist für mich also überhaupt kein Problem, dass die Grünen eine andere Ansicht vertreten. Aber ich kann nicht als Münchner Oberbürgermeister sagen, dass ich zu meinem Wahlprogramm stehe, in dem die dritte Startbahn drinsteht – und als bayerischer Spitzenkandidat das Gegenteil sagen. Diese Fähigkeit besitze ich nicht, dass ich in München die dritte Startbahn verspreche und in Freising den Demonstranten beteuere, dass es eine ergebnisoffene Diskussion geben muss. Ich bin in solchen Fragen nicht für Biegsamkeit und Persönlichkeitsspaltung, sondern für einen klaren Kurs.

Und den geben Sie der Bayern-SPD vor – und die muss dann spuren?

Ich bin überzeugt, dass die Bayern-SPD den Beschluss zur dritten Startbahn nur am Ende eines Parteitags ohne Vorankündigung bei geringer Präsenz von Delegierten übers Knie gebrochen hat ohne gründliche Aussprache. Ein solcher Beschluss kann sehr wohl korrigiert werden.

Ach, der Anti-Startbahn-Beschluss war demnach nur: ein Versehen?

Von denen, die es betrieben haben, sicher nicht. Es waren berechtigte und verständliche örtliche Proteste, die sich in der Flughafenregion organisiert haben. Aber dass daraus ein Mehrheitsbeschluss eines Landesparteitages entsteht, war eher dem Zufall als einer gründlichen Willensbildung geschuldet.

Bei Ihnen war zuletzt eine sympathische Nähe zu Horst Seehofer zu erkennen. Hat sich der Ministerpräsident, der bald Ihr Gegenspieler sein dürfte, schon bei Ihnen gemeldet?

Nein, er hat sich nicht geäußert. Aber Ihre Beobachtung ist richtig. Und ich beabsichtige, das im Falle meiner Kandidatur nicht zu beschädigen.

Wieso nicht?

Wir haben engstens zusammen gearbeitet bei der Olympia-Bewerbung. Ich habe ihn als Städtetags-Präsident gelobt, weil er – und sein Kabinett – für die Erhaltung der Gewerbesteuer eingetreten ist und für die Entlastung der Kommunen bei der Grundsicherung im Alter. Das waren wichtige Schritte. Und als Münchner Oberbürgermeister lobe und unterstütze ich seinen Einsatz für die zweite Stammstrecke. Ich denke nicht daran, das jetzt durch die Partei-Brille anders zu sehen. Es gibt ausreichend viele Punkte, wo ich die Politik der CSU für dilettantisch oder rückständig halte. Dilettantisch: von Bayernwerke/Eon bis Landesbank. Und rückständig: von Krippenerziehung bis Ganztagsschule. Da gibt es so viele Möglichkeiten, sich fachlich auseinander zu setzen, dass man sich nicht persönlich herabsetzen muss.

 

 

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