Ude: „Etwas, das es überhaupt noch nie gegeben hat“

Nach zwei Jahren Dauerwahlkampf hat Ude verloren und gewonnen: Die SPD hat in München deutlich zugelegt und die CSU fast eingeholt. Was das für die Partei bedeutet, was er jetzt macht.
von  Interview: Willi Bock
Mit geschlossenen Augen und roten Blumen in der festen Faust genießt Ude den Applaus seiner Anhänger in der Wahlnacht.
Mit geschlossenen Augen und roten Blumen in der festen Faust genießt Ude den Applaus seiner Anhänger in der Wahlnacht. © dpa

Nach zwei Jahren Dauerwahlkampf hat Ude verloren und gewonnen: Die SPD hat in München deutlich zugelegt und die CSU fast eingeholt. Was das für die Partei bedeutet, was er jetzt macht.

 

AZ: Herr Ude, Sie waren als OB und unverhoffter Spitzenkandidat zwei Jahre lang im Dauerwahlkampf. Sind Sie froh, dass es vorbei ist?

CHRISTIAN UDE: Man ist bei jeder schwierigen Aufgabe froh, wenn sie erledigt ist. Aber es hat mir auch großen Spaß gemacht.

Jetzt haben Sie Ihr großes Wahlziel nicht erreicht, die Regierung abzulösen.

Die Stimmenzahl der Bayern-SPD ist um 464 000 gestiegen und damit um mehr als 20 Prozent. Das ist ein gewaltiger Mobilisierungserfolg. Der prozentuale Anstieg ist weniger, weil die Wahlbeteiligung erfreulicherweise gestiegen ist.

Das ist aber noch kein Sieg.

Da möchte ich auf etwas hinweisen, was es überhaupt noch nie gegeben hat: Die SPD hatte immer mehr Erststimmen als Zweitstimmen. Dieses Mal haben wir in München zum ersten Mal mehr Zweitstimmen, plus 6,9 Prozent: Das ist die Liste, auf der mein Name oben steht. Die Partei liegt damit deutlich vor den örtlichen Kandidaten, während sonst die großen Parteien immer mehr Erst- als Zweitstimmen haben. In Oberbayern, wo ich Listenführer war, haben wir 4,7 Prozent mehr Zweitstimmen.

Also Ude-Stimmen ...

... bei nur einem Prozent bei SPD-Direktkandidaten. Und wir haben drei Mandate gewonnen, während das Regierungslager sieben verliert.

Das liegt aber daran, dass die FDP rausgeflogen ist.

Ja, das Regierungslager hatte 108 Sitze und hat jetzt nur noch 101. Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, dass das Regierungslager vergrößert worden sei.

Aber Horst Seehofer kann allein regieren.

Selbstverständlich, er hat ja die absolute Mehrheit, das ist niemandem entgangen.

Gut. Haben Sie sich den Wahlkampf so anstrengend vorgestellt – neben dem OB-Amt?

Ja, natürlich wusste ich als häufiger Spitzenkandidat, welche Strapaze das ist. Was ich mir nicht so vorgestellt habe, ist der mediale Gegenwind gewesen und dass es auf beiden Seiten ein ungiftiger Wahlkampf war. Es war ein ausgesprochen moderater Wahlkampf, der aber offensichtlich die Menschen nicht eingelullt hat, denn die Wahlbeteiligung ist gestiegen, in München auf 62,9 Prozent.

Das Ergebnis ist doch frustrierend: Sie wollten 25 Prozent erreichen und landen bei 20,6.

Ich habe immer gesagt, dass ich fünf Prozent mehr möchte. Das wären 23 Prozent. Dies haben wir nicht erreicht, deswegen ist das Ergebnis auch enttäuschend, weil wir mit mehr Zuwachs gerechnet hatten. Aber während uns die Umfragen und die Kommentatoren unter dem Ergebnis von 2008 mit 18,6 Prozent gesehen haben, geht es zwei volle Prozentpunkte nach oben. Und der SPD-Stimmenanteil ist in absoluten Zahlen um 20 Prozent gestiegen. Das heißt, die Richtung stimmt. Der jahrelange Abwärtstrend ist gestoppt.

Glauben Sie, dass die SPD ohne Ude noch mehr abgeschmiert wäre als auf dem historisch niedrigen Stand von 2008?

Ich verweise darauf, wo die Zuwächse herkommen.

Von den Zweitstimmen des Spitzenkandidaten Christian Ude, sagen Sie. Also muss die SPD dankbar sein, dass Sie angetreten sind?

Als ich mich zur Kandidatur bereit erklärt habe, stand die SPD in Umfragen bei 15 Prozent. Und alle haben geschrieben, dass jetzt die Grünen vor den Roten kommen.

Wie es in München zweimal bei Europawahlen war.

Das war die Ausgangslage im Sommer 2001.

Gibt der Wahlkampf der Münchner SPD einen Schub?

Ich habe außer dem Regierungswechsel, den ich nicht unter den Teppich kehren will, alle Wahlziele erreicht. Das erste war, dass die Demokratie in Bayern lebendiger wird, wenn es eine realistische Alternative gibt. Und wenn der CSU-Vorsitzende von der „Mutter aller Schlachten“ sprach, hat er das befürchtet. Es ist auch erreicht worden, die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben.

Und in München?

In München hat die SPD sogar um vier Prozent auf 32,2 Prozent zugenommen. Sie ist jetzt sogar in der Landespolitik mit der CSU auf Augenhöhe und kann auf dieser soliden Grundlage in die Kommunalwahl 2014 gehen. Das hat man sich vor zwei Jahren kaum vorstellen können. Da hieß es noch, die Roten werden dritte Kraft. Die Frage war ja auch nach Fukushima legitim. Da hatten die Grünen ein Zwischenhoch, das alles in den Schatten gestellt hat.

Ihre Genossen waren aber auch wie paralysiert und sind lange Zeit nicht in die Gänge gekommen.

Aus dieser Schockstarre von 2011 haben wir uns befreien können. Nur hat leider zur gleichen Zeit die CSU die Wähler von der FDP zurückholen können.

Wie geht es jetzt mit Ihnen weiter?

Ich gehe jetzt im Rathaus meiner Arbeit nach und bin bis Ende April Oberbürgermeister einer namhaften bayerischen Großstadt.

Am Samstag treffen Sie Ihren Kontrahenten Seehofer beim Wiesn-Anstich wieder. Wie werden Sie ihn im Zelt begrüßen? Er bekommt ja traditionell von Ihnen die erste Maß.

Wir haben uns noch am Wahlabend unterhalten, dass es ein menschlich sehr angenehmer Wahlkampf war, der durch Fairness gezeichnet war. Deswegen wird das ein vergnügter Wiesn-Anstich, bei dem Politik wie immer nichts verloren hat.

Machen Sie jetzt Urlaub?

Da werde ich schon ein paar Tage für meinen Resturlaub finden, um einmal auszuspannen, denn das habe ich in den letzten Monaten tatsächlich nicht gemacht.

Was hat Ihre Frau zum Wahlausgang gesagt?

Sie hat immer gesagt, dass es zwei Szenarien gab: Das eine hätte viel Kraft gefordert, das andere viel Zeit gebracht. Wir freuen uns, dass wir mehr Zeit füreinander haben.

 

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