U-Bahn-Schubser: War Platzangst das Tatmotiv?

Die Tat löste stadtweit Entsetzen aus: Rentner Ludwig D. (69) schubste eine Schülerin (13) vor die einfahrende Linie 3 am U-Bahnhof Petuelring. Jetzt verweist sein Anwalt darauf, dass der mutmaßliche Täter unter einem Kriegstrauma leidet.
von  Abendzeitung
Mit diesem Bild aus der Überwachungskamera fahndete die Polizei nach dem Rentner
Mit diesem Bild aus der Überwachungskamera fahndete die Polizei nach dem Rentner © dpa

MÜNCHEN - Die Tat löste stadtweit Entsetzen aus: Rentner Ludwig D. (69) schubste eine Schülerin (13) vor die einfahrende Linie 3 am U-Bahnhof Petuelring. Jetzt verweist sein Anwalt darauf, dass der mutmaßliche Täter unter einem Kriegstrauma leidet.

Laut Ermittlungen soll der U-Bahn-Schubser verärgert gewesen sein, weil das Mädchen beim Fangenspielen den Sicherheitsstreifen am Bahnsteigrand betreten habe. Aber: „Mein Mandant war nicht verärgert, sondern er leidet unter Platzangst“, sagte sein Strafverteidiger Peter J. Guttmann jetzt gegenüber der Abendzeitung. Im Zweiten Weltkrieg habe er als Fünfjähriger während der Bombardierung von Plauen (Sachsen) oft in den Luftschutzbunker flüchten müssen. Die Panik seiner Mutter habe sich auf den Jungen übertragen. Der Bunker sei sogar einmal von einer Bombe getroffen worden. Ludwig D. und seine Mutter überlebten. „Herr D. meidet große Menschenmengen. Er steigt nie in eine überfüllte U-Bahn“, so sein Verteidiger.

Am Tattag, dem 2. Juni 2008, gegen 14.30 Uhr, soll sich aus Sicht des Verteidigers am Bahnsteig folgendes abgespielt haben: Die Schule war aus. Schüler drängten zum Bahnsteig. Das Mädchen tollte mit anderen Kindern herum, spielte Fangen. Es soll dicht vor Ludwig D. gewesen sein. „Herr D. fühlte sich bedrängt, war in Panik. In einer Abwehrreaktion hat er das Kind weggeschubst“, so Guttmann, der die Tat nicht beschönigen möchte: „Was passiert ist, tut meinem Mandanten wahnsinnig leid. Er hat sich schriftlich bei dem Mädchen entschuldigt.“ Sollten die Gutachter feststellen, dass bei dem früheren Versicherungskaufmann die Phobie Platzangst vorliegt, könnte er mit Milde rechnen.

Doch keine Mordanklage?

Staatsanwalt Laurent Lafleur will gegen den Rentner Anklage wegen Mordversuchs erheben (AZ berichtete). Das würde bedeuten, der Rentner müsste lebenslänglich hinter Gitter. Inzwischen distanziert sich aber selbst die Polizei vom Vorwurf des Mordversuchs, weil kein „bedingter Tötungsvorsatz“ bestehe.

Verteidigungsziel: Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung. Guttmann: „Eine lange Haft würde das Leben meines Mandanten zerstören.“ Ludwig D., der selber zwei Kinder großgezogen hat und inzwischen Großvater ist, liest viel in der U-Haft. An den Sportmöglichkeiten kann er nicht teilnehmen, weil er mit den jungen Insassen nicht „mithalten“ kann.

Seine Frau (64) – er lebt in zweiter Ehe, weil seine erste Frau vor drei Jahren starb – besucht ihn alle 14 Tage in der JVA. „Sie liebt ihn über alles und ist sehr auf ihren Mann fixiert“, sagt Guttmann. Der Prozess soll im Herbst stattfinden.

th

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