U-Bahn: Bau-Pfusch kostet Millionen

Beim U-Bahnhof Westfriedhof ist die Fuge zwischen Decke und Wänden nicht abgedichtet worden – weil’s nicht in der Bauvorschrift stand. Jetzt dringt Wasser ein. Bis zu 28 U-Bahnhöfe sind betroffen. Die Sanierung wird die SWM ein Vermögen kosten.
München - Das Wasser kommt von oben. Läuft zwischen Decke und Außenhaut in die Betonwände. Frisst sich in den eingelegten Stahl. Und weil (wegen der Salzstreuung im Winter) jede Menge Chlorid im Wasser steckt, bröckelt der unterirdische Bau gefährlich vor sich hin. Nur 16 Jahre nach der Eröffnung des U-Bahnhofs Westfriedhof haben die Stadtwerke (SWM), die heute für den Unterhalt zuständig sind, im Sommer mit einer Mega-Sanierung begonnen. Die wird bis 2017 dauern, und: Die Kosten für die SWM werden – nach vorsichtigen Schätzungen – in die Millionen gehen.
Wie konnte das passieren?
Zwischen den äußeren Bahnhofswänden und dem Bauwerksdeckel gibt es – in 4,5 Metern Tiefe – eine Fuge. Etwa 1000 Meter lang ist die, rund ums Gebäude. Die haben die Experten vom städtischen Baureferat, die den U-Bahnhof Ende der 90er Jahre geplant und gebaut haben, damals nicht abgedichtet.
PFUSCH AM BAU?
Schon im letzten April hatten die CSU-Stadträte Alexander Dietrich und Manuel Pretzl befürchtet, beim Bau könnte gepfuscht worden sein – und Antworten von der Stadt verlangt.
Das Baureferat rechtfertigt sich in der Stadtratsvorlage, die gestern im Wirtschafts-Ausschuss vorlag, so: Nach den „Richtlinien für den Bau von Tunneln“ des Bundesverkehrsministeriums, die bis heute gelten, sei „kein Schutz gegen Tausalzbeanspruchung erforderlich“, wenn das Bauwerk mehr als einen Meter unter der Erdoberfläche liegt.
Der U-Bahnhof Westfriedhof liegt aber tiefer. Insofern lägen „Planungs- oder Ausführungsfehler nicht vor“. Man habe laut der Vorschriften alles richtig gemacht. Auch die Frage nach Schadenersatzforderungen stelle sich deshalb „aus sachlichen Gründen nicht“. Wie wird saniert?
Womit die Sanierungskosten nun an den Stadtwerken hängen bleiben werden: Rund um das unterirdische Gebäude müssen die Sanierer eine fünf Meter tiefe und 2,5 Meter breite Grube baggern und aufwendig mit einer Verschalung abstützen um die Fuge abzudichten und von außen die maroden Wände zu reparieren.
Rund 150 Meter am Westfriedhof sind schon geschafft, im Februar gehen die Bauarbeiten an der Orpheusstraße (Friedhofsseite) und Hanauer Straße (Ostseite) weiter. 100 Parkplätze fallen deshalb an der Park- und Ride-Anlage weg. Bäume werden gefällt. Tramgleise ausgebaut. Und in den Sommerferien wird es an der Dachauer- und Hanauer Straße erheblichen Stau geben. Die Kosten für diese Maßnahmen, so heißt es bei den Stadtwerken, „werden im Millionenbereich liegen“.
NUR DIE SPITZE DES EISBERGS
Noch pikanter ist allerdings: Der U-Bahnhof Westfriedhof ist womöglich nur die Spitze eines Eisbergs. Von den 100 Münchner U-Bahnhöfen sind insgesamt 28 in dieser heiklen „Deckelbauweise“ gebaut, erklärt SWM-Sprecher Matthias Korte auf AZ-Anfrage. Vier werden aktuell saniert. Das sind (neben dem Westfriedhof):
Der unterirdische U1-/U2-Bahnhofsbau unterm Hauptbahnhof aus dem Jahr 1980. Auch hier war Wasser eingedrungen. Zwei Millionen Euro hat die Reparatur allein entlang der 270 Meter langen undichten Fuge laut Korte schon verschlungen.
Noch mal 440 Meter müssen bis 2016 über dem zweiten unterirdischen Bauwerk der U4/U5 (1984 eröffnet) das unter der Bayerstraße verläuft, aufgebaggert und repariert werden. Welche Schäden sich dabei noch auftun werden und wie viel das kosten wird, steht noch in den Sternen.
Auch der U-Bahnhof am Ostbahnhof (eröffnet 1988) ist kaputt: Hier rollen im Frühling die Bagger an. Die Arbeiten werden bis 2016 dauern und einen großen Teil des Orleansplatzes blockieren. Stück für Stück legen die Arbeiter die obere Außenkante des unterirdischen Bauwerks frei und dichten die Fuge ab. Damit fallen Parkplätze weg, je nach Bauphase wird sich die Verkehrsführung ändern, Anwohner dürfen sich auf viel Lärm und Dreck einrichten. Bei weiteren sieben Münchner U-Bahnhöfen ist jetzt schon klar, dass eindringendes Wasser die Wände und Stahlgerüste bröckeln lässt – und es ohne Millionen-Sanierung nicht gehen wird.
Es sind die U-Bahnhöfe:
Thalkirchen (Bahnhof zur Linie U3)
Heimeranplatz (U4/5)
Stiglmaierplatz (U1/7)
Schwanthalerhöhe (U4/5)
Karlsplatz (U4/5 – hier folgt nach der Sanierung des Einkaufszentrums im Untergeschoss also eine weitere Baumaßnahme.)
Georg-Brauchle-Ring (U1)
und Olympia-Einkaufszentrum (U3).
„Für diese mittelfristig erforderlichen Maßnahmen stehen bisher weder die Termine noch die genaue Reihenfolge fest“, erklärt Werke-Sprecher Korte der AZ. „Die beiden jüngeren Bahnhöfe Georg-Brauchle-Ring und Olympia-Einkaufszentrum werden aber ans Ende der Sanierungsarbeiten gestellt.“
Und jetzt?
Fragt sich, welche Konsequenzen zu ziehen sind aus diesen Millionenschäden, für die offenbar niemand verantwortlich zu machen ist. Aus Sicht der Regierung von Oberbayern, die als Technische Aufsichtsbehörde für die Prüfung und Abnahme der U-Bahn-Bauwerke verantwortlich war, ist es eine „neue Erkenntnis“, dass Tausalze wesentlich tiefer als nur in einem Meter Tiefe Schäden an unterirdischen Gebäuden anrichten können. Laut Baureferat will die Behörde nun die Kommunen, die demnächst U-Bahnhöfe bauen, „auf diese neuen Erkenntnisse hinweisen“. Und überdenkt eine Neufassung der betreffenden Tunnelbaurichtlinien. Für die Stadt München kommt diese Idee jedenfalls deutlich zu spät.