„Turbo-Schule“: So ausgebrannt sind Bayerns Lehrer

Eine große Umfrage unter Bayerns Lehrern hat "einen Nerv getroffen". „Nur Noten nachjagen und nicht üben, ist keine Bildung“, sagt die neue BLLV-Chefin Simone Fleischmann. Die Details der Studie.
Eva von Steinburg |
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Ausgebrannt und gestresst: Bayerns Lehrer leiden unter Zeitnot.
imago Ausgebrannt und gestresst: Bayerns Lehrer leiden unter Zeitnot.

München - Bayerns Lehrer lieben ihren Job. Ein gutes Gefühl im Umgang mit ihren Schülern haben 84 Prozent. Doch viele leiden unter akutem Zeitmangel. Wobei auch Lehrer die „Turboschule“ ablehnen: „ Aus Multitasking ist an der Schule inzwischen Multi-Action geworden. Lehrer müssen heute die verschiedensten Dinge auf einmal machen“, sagt Simone Fleischmann (44), neue Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen Verbandes (BLLV). „Wir jammern nicht. Aber wir sprechen uns gegen das Turbogehetze aus. Nur Noten nachjagen und nicht üben, ist keine Bildung. Wir möchten an unseren Schulen nicht den Tiefgang verlieren.“

Wie geht es bayerischen Pädagogen an der Schule wirklich? Wofür bräuchten sie mehr Zeit? Um das herauszufinden schickte der BLLV seinen 26.000 aktiven Mitgliedern Fragen. Die Antworten von 3.577 Lehrern aller Schularten geben einen tiefen und spannenden Einblick in ihre Gefühlswelt. „Wir haben wohl einen Nerv getroffen“, urteilt der BLLV.

Die Ergebnisse der Studie „Zeit für Bildung“

Drei von vier der befragten Lehrer sagt, dass der Begriff „Turboschule“ ihren heutigen beruflichen Alltag treffend beschreibt.

Fast 70 Prozent aller bayerischen Lehrer beklagen, sich im Schulalltag gehetzt zu fühlen, egal ob an Grund-, Mittel- und Realschule oder Gymnasium unterrichten. Sie leiden darunter, dass „in der Schule zu viel Wert auf Geschwindigkeit und Effizienz gelegt wird“.

Zwei Drittel der befragten Lehrer hat das Gefühl, niemals mit der Arbeit fertig zu sein. Häufig oder sogar ständig fühlen sie sich gehetzt. Um ihre täglichen Aufgaben bewältigen zu können, müssen sie sich wahnsinnig beeilen. Ein Ruhepol zu bleiben und nicht hektisch zu werden, ist die Herausforderung, an der viele knabbern.

57 Prozent haben das Gefühl im beruflichen Alltag erschöpft zu sein.

Über 94 Prozent meinen, es bedarf zusätzlicher Lehrer um das Zeitproblem in den Griff zu bekommen.

Fast alle der Befragten (96 Prozent) sind dafür, dass die Ersatzkräfte der „Mobilen Reserve“ aufgestockt werden.

Ständiger Handlungsdruck: Nur 29 Prozent finden, dass die Zeit für die Bewältigung der alltäglichen Aufgaben in der Schule ausreicht. Kein Wunder, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Lehrer in Teilzeit flüchten - um einen Vollzeit-Burnout zu vermeiden.

"Helfende Hände müssen her"

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann fordert mehr Personal: „Helfende Hände in ausgewählten Klassenzimmer müssen jetzt her - nicht nur Lehrer, auch Sozialpädagogen.“ Selber Schulpsychologin bleibt Simone Fleischmann bis September noch Leiterin der Anni-Pickert-Grund- und Mittelschule Poing. Sie sagt: „Diese Hetze erlebe ich auch persönlich. Meine Lehrer sprechen oft mit mir darüber.“ Viele suchten nach einem entlastenden Austausch: „An meiner Schule leisten sich acht Pädagogen jeden Monat ein Gruppengespräch mit einer Psychologin. Über die belastenden Gefühle, vor lauter Hetze schwächeren Schülern nicht gerecht zu werden - und über die eigenen Grenzen“, so Fleischmann.

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