Türkische und internationale Medien: Bitte warten!

  Türkische und andere internationale Medien haben beim NSU-Prozess nur einen Platz auf der Warteliste. Verbände und Politiker sind entrüstet, das Gericht verteidigt sich  
Christian Pfaffinger |
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Die Hälfte des Ranges im Münchner Schwurgerichtssaal gehört den Medien - zumindest denen, die schnell genug waren. Jetzt steht die Platzvergabe in der Kritik.
dapd Die Hälfte des Ranges im Münchner Schwurgerichtssaal gehört den Medien - zumindest denen, die schnell genug waren. Jetzt steht die Platzvergabe in der Kritik.

 

Türkische und andere internationale Medien haben beim NSU-Prozess nur einen Platz auf der Warteliste. Verbände und Politiker sind entrüstet, das Gericht verteidigt sich

 

München Einer hat es geschafft. Rahmi Turan ist freier Journalisten - und wohl der einzige Medienvertreter türkischer Abstammung, der beim NSU-Prozess in München sicher dabei sein wird. Froh ist er darüber nicht. "Es ist peinlich und schadet dem Ansehen Deutschlands in der Welt", sagt Rahmi Turan, der auch nur auf einem Umweg einen Platz ergattert hat.

Die Vorwürfe an die Münchner Justiz hören nicht auf: Seit Wochen erntet das Oberlandesgericht (OLG) Kritik und Entrüstung, weil der Saal, in dem ab 17. April der NSU-Prozess beginnen wird, zu klein ist. Nicht jeder, der will, darf rein.

Jetzt wurde veröffentlicht, welche Pressevertreter einen Platz im Gerichtssaal bekommen – und wieder gibt es Zoff. 123 Medien und freie Journalisten sind zugelassen - aber nur 50 haben einen reservierten Platz, darunter kein türkisches Medium. Und das, obwohl die meisten der NSU-Opfer türkischer Abstammung waren. Auch andere renommierte ausländische Medien gehen leer aus. Dafür schickt die ARD gleich fünf Vertreter einzelner Anstalten, und auch ein Münchner Lokalradio hat einen festen Platz.

Die türkischen Zeitungen Hürriyet und Sabah, die Nachrichtenagentur Anadolu und der Sender NTV Türkei stehen zumindest auf der Warteliste. Wenn 15 Minuten vor Verhandlungsbeginn noch Plätze frei sind, werden sie an Medien auf dieser Liste vergeben. Gerade zu Beginn und gegen Ende des Prozesses wird das aber kaum passieren.

Das Gericht verteidigt sich und gibt an, die Plätze streng nach Eingang der Anfragen vergeben zu haben. Wer zuerst mailt, mahlt zuerst. Nur so (oder per Losverfahren) sei die Auswahl „objektiv und überprüfbar“. Die Aufforderung zur Anmeldung wurde per Mail verschickt – natürlich vor allem an deutsche Medien. Allerdings war die Pressemitteilung auch für alle anderen im Internet sichtbar.

Vor allem muslimische Verbände sind trotzdem wütend. Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland kritisiert die Platzvergabe aber als „sehr unglückliche Entscheidung“. Damit schade das Gericht dem Vertrauen der deutschen Muslime in die Aufarbeitung der Mordserie. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sagt: „Ich fordere das Gericht und auch die Politik auf, hier eine Lösung zu finden“. Er will, dass auch türkische Medien garantierte Sitzplätze haben. „Ich werde da nicht locker lassen.“

Unterstützung kommt aus der Politik: Ausländische Medien müssten aus erster Hand berichten, um internationale Transparenz herzustellen, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Auch die Journalistenverbände sind verärgert. Michael Konken vom Deutschen Journalisten-Verband sagte: „Umgekehrt würden wir einen Riesenaufstand machen, wenn im Ausland kein deutscher Journalisten in den Saal dürfte.“

Die Kritiker fordern mehr Flexibilität vom Gericht – doch die Lage ist kompliziert. Es gibt keine Alternative zu dem ausgewählten Saal, sagt das Gericht (AZ berichtete). Und eine Live-Übertragung in einen anderen Raum wie beim Prozess gegen den norwegischen Attentäter Anders Breivik sei nach deutschem Recht nicht möglich – es wäre sogar ein Grund, das Verfahren am Ende anzufechten.

 

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