TU und Stadt München testen die autofreie Straße der Zukunft in der Au

München - Noch liegt Rasen aufgerollt auf einer Holzpalette. Männer pflastern damit die Parkplätze an der Kolumbusstraße – und verwandeln sie in eine Wiese, fast 500 Quadratmeter groß. Andere hämmern Möbel zusammen, wieder andere tragen Holzbänke aus einem Lieferwagen.
Es ist Donnerstagvormittag und noch wird in der Kolumbusstraße gewerkelt. Schließlich muss zwei Tage später, am Samstag, alles fertig sein. Um 11 Uhr eröffnet an der Kolumbusstraße ganz offiziell das Projekt "aqt – autoreduzierte Quartiere für eine lebenswerte Stadt".
Autofreie Straßen: Alternative Stadtkonzepte in München
Konkret heißt das: Die Münchnerinnen und Münchner können dort, wo früher Autos standen, gärtnern, im Sand spielen, auf der Wiese sitzen – und zwar nicht nur in der Kolumbusstraße, sondern auch am "Schlotthauer Platz", am Entenbach "Entenbachplatz" und an der Landlstraße.
Klingt nach nichts Neuem? Schließlich drängt die Stadt seit Corona jedes Jahr Autos aus Straßen, stellt Pflanzen und Stühle auf. Auch heuer wird es wieder solche Sommerstraßen geben. Dieses Projekt ist trotzdem etwas Besonderes. Es ist eine Zusammenarbeit der Technischen Universität München und der Stadt. Denn das Projekt ist auch eine Forschung des Lehrstuhls für Urban Design der TUM.

Autofreie Kolumbusstraße in München: Es ist ein Experiment
Marco Kellhammer hat die AZ vor der Eröffnung durch die Straße geführt. Er arbeitet an dem Lehrstuhl. Seine Kollegen und er – so erklärt es Kellhammer – wollen nicht einfach bloß Sitzmöbel und Pflanzkübel auf Parkplätze stellen. Sie wollen verstehen. Welche neuen Angebote nutzen die Anwohner am Ende? Gärtnern sie zusammen – oder vertrocknen die Tomatenpflänzchen in den Hochbeeten? Vermissen sie ihre Parkplätze? Oder verändert das Projekt tatsächlich ihre Einstellung – und womöglich sogar das eigene Mobilitätsverhalten?

Während des Projektzeitraums erforschen die Wissenschaftler, wie sich die Anwohner fortbewegen. Etwa 60 freiwillige von ihnen lassen durch eine App aufzeichnen, welche Wege sie gehen und welche Verkehrsmittel sie nutzen, sagt Kellhammer.
41 Parkplätze wurden in der Kolumbusstraße zu Freiflächen. Dafür sind Parkplätze, auf denen früher alle parken durften, nun für Anwohner reserviert. Es ist noch möglich, in die Kolumbusstraße hineinzufahren – allerdings lässt sie sich nicht mehr durchfahren.
Aus einer Straße wird eine Sackgasse: Das sorgt für Verwirrung bei den Anwohnern
Und das sorgt zwei Tage vor Projektstart für Verwirrung. Ein älterer Herr beschwert sich, dass die Lieferdienste jetzt nicht mehr zu ihm kämen – und stattdessen die Pakete gleich in einem Kiosk abgeben. "20 Kilo Katzenfutter musste ich nach Hause schleppen, das ist nicht lustig", meint er. Eigentlich könne das gar nicht sein, antwortet Kellhammer, die Post sei informiert. Trotzdem kündigt er an, genauer nachzufragen.
Mehrheitlich seien die Reaktionen der Anwohner bisher positiv, sagt Kellhammer. Am Aufbautag spielt eine Mutter mit ihren beiden Kindern im Sand, eine ältere Dame freut sich über den Kohlrabi, der in einem der Kübel wächst.
"Es geht darum, Visionen zu zeigen, wie Städte zukünftig aussehen können – und wie viel Potenzial in den Flächen steckt, auf denen heute bloß viele Autos herumstehen", sagt er.
Das Projekt läuft bis Ende Oktober. Dann wird der Rasen wieder eingerollt und der Sand weggeschaufelt. Danach entscheiden Stadt und die Reaktionen der Anwohner, wie es langfristig weitergeht. Oder ob sie ihre Parkplätze zurückhaben wollen.
Von 11 bis 19 Uhr findet am Samstag in der Kolumbusstraße ein Fest statt. Ab 12.30 Uhr stellen Vertreter der TUM und der Stadtspitze das Projekt auf der Bühne an der Ecke Schlotthauer Straße/Kolumbusstraße vor. Das Kulturprogramm startet um 14 Uhr. Am Edlingerplatz gibt es von 14 bis 16 Uhr Vorträge zur Zukunft der Mobilität.