TU München entwickelt Auto der Zukunft

Er ist leicht, flott und gar nicht mal so teuer: Die Technische Universität München hat mit dem "Visio.M" ein Elektro-Auto entwickelt, das neue Maßstäbe setzen soll. Die AZ ist bei der Premiere dabei gewesen.
von  Verena Kemmer
Das Elektroauto beim Stehempfang auf dem TU-Forschungscampus.
Das Elektroauto beim Stehempfang auf dem TU-Forschungscampus. © TU München

Er ist leicht, flott und gar nicht mal so teuer: Die Technische Universität München hat ein Elektro-Auto entwickelt, das neue Maßstäbe setzen soll. Die AZ ist bei der Premiere dabei gewesen.

München - Es quietscht noch ein bisschen, wenn der „Visio.M“, wie er noch ein wenig ungelenk heißt, nach seinem fulminanten Auftritt wieder zurück in Garage fährt.

„Visio.M“?

So heißt das Elektro-Auto, das an der TU entwickelt und gebaut wurde. Ein E-Car made in Munich.

Warum wird ausgerechnet Deutschland als Autonation nicht so richtig warm mit dem Elektroauto? Diese Frage stellten sich auch die Forscher der Technischen Universität München zusammen mit Experten aus der Automobilindustrie. Und dann die zweite Frage:

Wie könnte ein alltagtaugliches, preisgünstiges und sicheres Elektroauto aussehen?

So wie das „Visio.M“, das am Montag in Garching auf dem Forschungscampus der TU vorgestellt wurde. Ein Elektroauto, das alles anders macht als andere Produkte auf dem Markt. Ein flottes Leichtgewicht, das eine attraktive Alternative zum Benziner für Kurzstrecken darstellt. Und das auch noch kostengünstiger, sicherer, effizienter und sauberer als die Abgas-Konkurrenz.

Ein breites Publikum soll der Visio.M überzeugen. Das Entwicklerteam aus Wissenschaft und Industrie hat lange getüftelt und versucht ein sicheres, sportliches und günstiges Elektroauto zu bauen. Das scheint auch gelungen:

Ab 2020 soll der Visio.M in Serie gehen und für gerade einmal 16 000 Euro zu haben sein. Günstiger bietet bisher niemand ein gleichwertiges Elektroauto an. Nicht mal die Chinesen.

Lesen Sie hier: Unter Strom: Schicksalstage eines Elektroauto-Testers

Das Elektroauto hat eine Reichweite von rund 160 km und bietet Platz für zwei Personen – eine Familienkutsche schaut anders aus. Platz bietet er dennoch: Der Visio.M verfügt er über reichlich Gepäckstauraum. Unbesorgt einkaufen ist also problemlos möglich.

Und mitgerade mal 15 Kilowatt Motorleistung erreicht das Fahrzeug eine Spitzengeschwindigkeit von 120 km/h, die es in der Stadt freilich nicht braucht. Aber vielleicht geht’s mit dem City-Flitzer ja mal raus an den Starnberger See.

Das Elektroauto fährt sich dabei nicht anders als ein Benziner oder Dieselfahrzeug. Der Visio.M beschleunigt von 0 auf 100 Kilometer in etwa 12,5 Sekunden und von 0 auf 60 Kilometer in gerade mal 5,2 Sekunden. Testfahrer loben besonders das dynamische Fahrverhalten des Elektrowagens. Wie ein Gokart fahre sich der Visio.M angeblich, was sportliche Fahrer begeistern dürfte.

Die starke Motorleistung wird durch eine leistungsfähige Batterie gewährleistet. Der Akku wiegt gerade mal 85 Kilogramm und lässt sich innerhalb von nur drei bis vier Stunden an jeder gängigen 230-Volt-Steckdose aufladen.

Besonders die Fahrzeugsicherheit stellte bei Elektroautos bislang ein großes Handicap dar. Auch hier setzt der Visio.M neue Maßstäbe. Im Bereich der Stoßstange und in den Türen sind jeweils Airbags montiert. Bei einem Aufprall mit einem größeren Fahrzeug erweitern sie durch die eintretende Luft die Knautschzone.

Vorausschauendes Fahren? Für das Münchner Vehikel ist das kein Problem. Eingebaute Radar- und Kamerasensoren machen es möglich, durch einen 360-Grad-Blick möglich frühzeitig eine kritische Verkehrssituation zu erkennen. Kann ein Crash dann doch nicht mehr vermieden werden, aktiviert sich das Insassenschutzsystem kurz vor dem eigentlichen Zusammenstoß, um die Fahrgäste zu schützen.

Sogar der Sitz kann zur Sicherheit die Position wechseln Auch neu: Erkennt das System einen unvermeidlichen Seitenaufprall, verschiebt sich der Sitz auf der richtigen Seite nach hinten, um die betroffene Person schnellstmöglich aus der Gefahrenzone zu bringen. Einen ebenfalls möglichen Zusammenprall zwischen Fahrer und Beifahrer fängt ein in den Sitzen eingebauter Airbag ab.

Der Visio.M lässt sich auch ferngesteuert fahren, was vielen noch nicht ganz geheuer vorkommen mag. Mittlerweile ist dies aber technisch zumindest schon möglich.

„VisioM.“ – das heißt „Visionäres Mobilitätskonzept“ und soll ein Fahrzeug sein, das die Anforderungen der Zulassungsklasse L7e erfüllt. Das bedeutet, bei einer Leistung von 15 kW darf das Leergewicht höchstens 400 Kilogramm betragen. Der Visio wiegt mit Batterien 450Kilogramm und erfüllt somit die die Auflagen des L7 durchaus. Und mit seinem niedrigen Verbrauch gilt er momentan als der effizienteste Elektrokleinwagen der Welt. Für die Strecke von 35 Kilometer etwa muss man seinen Visio.M etwa 5,32 Minuten an die Steckdose hängen. Eine Kaffepause, mehr nicht.

Um Visio.M zu realisieren, arbeiteten die Forscher der Technischen Universität München (TUM) nicht nur mit Daimler und BMW zusammen, sondern auch mit Firmen wie Siemens, Conti oder Texas Instruments. USA, China und Japan haben gut vorgelegt Bei der gestrigen Vorstellung des Visio.M lobten die Vertreter aus Wissenschaft und Industrie dann auch vor allem die fächerübergreifende Zusammenarbeit. Man bekannte aber auch: Ohne die Hilfe der Automobilhersteller, wäre das Projekt nicht möglich gewesen.

Die Zeit drängt mittlerweile. Andere Hersteller in den USA, China oder Japan sind bereits viel stärker auf die E-Schiene aufgesprungen, selbst branchenfremde Unternehmen wie Google und Apple drängen in die alte deutsche Domäne Automarkt – es herrscht also auch ein gewisser Zugzwang. Dass die Bundesregierung derzeit nicht an Subventionen denkt, ist da eher kontraproduktiv. V. Kemmer

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