Trost im Nirgendwo

Die Münchner Oscar-Preisträgerin Caroline Linkbeweist mit ihrem Familien-Drama „Im Winter ein Jahr“ erneut internationale Größe
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Die Münchner Oscar-Preisträgerin Caroline Linkbeweist mit ihrem Familien-Drama „Im Winter ein Jahr“ erneut internationale Größe

8Immer wieder sieht Lilli diese Bilder vor sich: Ihr 19-jähriger Bruder Alexander, lachend, ein wenig Verlorenheit im Blick. Spielerisch exaltiert bei der Schneeballschlacht mit Mama im Garten der Münchner Designervilla. Lilli ist 22, hochbegabte Tanz-Studentin an der Theaterakademie, eine fragile Schönheit, nie verlegen um coole Sprüche – und vor allem sehr einsam.

Alexander, Schüler eines Elite-Internats in Berchtesgaden, hat sich erschossen. Diese Tatsache verdrängt Mutter Eliane (Corinna Harfouch), die erfolgreiche Innenarchitektin, indem sie von einem „Jagdunfall“ spricht und sich in eine heile Scheinwelt zurückzieht. Ihr Mann, der smarte Wissenschafter Thomas (Hanns Zischler), betrügt sie ohnehin mit einer Kollegin. Lilli leidet erst still, dann begehrt sie auf gegen all die familiäre Verlogenheit, den ständigen Leistungs- und Erwartungsdruck der Eltern.

Karoline Herfurth (siehe Interview) spielt diese verunsicherte Kindfrau mit zu Herzen gehender Intensität. Ihre Lilli ist so durchschaubar, wenn sie in Kneipen abhängt, die coole Laszive spielt und sich dümmlich verliebt das Herz brechen lässt. Wenn sie mit Disziplinlosigkeit ihre Musical-Hauptrolle schmeißt und sogar den introvertierten, viel älteren Künstler Max (eine mit Sensibilität gezähmte Urgewalt: Josef Bierbichler) provozieren will, der ein lebensgroßes Porträt von ihr und dem toten Bruder malen soll. Das war Mamas „gruselige Idee“, aber mit Lillis Besuchen im Atelier am Starnberger See gerät eine unheilvoll stagnierende Situations ins befreiende Rollen.

Autor-Regisseurin Caroline Link („Nirgendwo in Afrika“, Oscar 2003) ist mit dem Psychodrama „Im Winter ein Jahr“ um eine traumatisierte, in Schuldgefühlen und Trauer gefangene Familie ein wundersam subtiler, anrührender Film gelungen. Eine universelle Geschichte von Verlust und Bewältigung des Schmerzes, unprätentiös in Sehnsuchtsbildern und mit einem wunderbaren Darsteller-Ensemble erzählt.

Die feine Menschenbeobachterin Caroline Link hat die Bostoner Upperclass-Familie aus dem Roman von Scott Campbell unangestrengt in die Münchner Gesellschaft verpflanzt. Wie der latent homosexuelle Max, selbst ein Trauernder, von der Familie Verlassener, und Lilli während der Porträt-Sitzungen eine Vertrauensbeziehung zueinander entwickeln, die am Ende auch anderen neue Hoffnung gibt, gehört zum Schönsten, was man in diesem Kino-Jahr gesehen hat. Angie Dullinger

Kino: Arri, Eldorado, Gloria, MaxX, Münchner Freiheit, Rio

R & B: Caroline Link K: Bella Halben (D, 128 Min.)

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