Trommelschläge für die Liebe

MÜNCHEN/ - Spürst Du den Beat? Schmeckt Dir mein Reis? 25 Prozent der Münchner sind solo und die organisierte Partner-Suche boomt.
In München geht was. Zumindest in den Swinger- Clubs, den Tanzbars um den Hauptbahnhof und in den Puffs. Aber München ist auch die Weltstadt der einsamen Herzen. 321000 Singles leben hier, das sind 25 Prozent aller Münchner. Und die wollen mehr als Sex kaufen, mieten oder anschauen – sie suchen nach einem Partner.
Stephen ist einer von ihnen. Er sitzt an diesem Samstagabend in einer Runde von sieben Singles, die alle eine Trommel vor den Schoß geschnallt haben – denn zum Glück gibt’s in München unendlich viele Events, die sich ausschließlich an Alleinstehende richten. „Wenn ihr den Bass richtig getroffen habt, spürt ihr ihn in den Oberschenkeln vibrieren“, sagt die Trommellehrerin Anja Bielmeier und lächelt in die Runde. Die besockte Runde grinst schüchtern zurück. Die Schuhe stehen vor der Tür, auf ihren Schenkeln liegen weiße Tücher, damit die teuren Trommeln sich nicht durch den Jeansstoff verfärben. „Reh auf Esche“ kostet 850 Euro, verrät das Preisschild, das noch am Instrument hängt.
Freundin gesucht: Stephen fahndet online und in der Laufgruppe
Stephen trägt Cordhosen. Der Amerikaner ist 26 und vor zwei Monaten aus Portland nach Bayern gezogen. Er hätte gerne eine Freundin. In einer Online-Börse ist er schon auf der Suche, „mit einer habe ich mich auch getroffen – aber die hatte dann kein Interesse mehr“. Also sucht Stephen weiter. Konzentriert starrt er auf das Trommelfell und schlägt hastig zu, als wolle er eine Ameise treffen. Rhythmus sieht anders aus. „Trommeln ist nicht so mein Ding“, sagt er später. Sein Lauftreff gefällt ihm besser. Auch da war die Richtige nicht dabei.
Einen Samstag später sitzt die Assistentin Cora ebenfalls in einer Runde von sieben Singles, die mittlerweile alle einen Teller thailändisches Hühnchen-Curry vor sich haben. Beatrice und Marcus sind die Gastgeber. „Ich habe noch nie für so viele gekocht, der Reis ist pappig“, befürchtet Beatrice. Alle wollen Nachschlag. Beatrice und Marcus kannten sich bis vor ein paar Stunden noch nicht, so wie die meisten Teilnehmer beim „Jumping Dinner“.
Je ein Zweier-Koch-Team bereitet einen Gang vor und lädt dazu drei weitere Teams in die eigene Wohnung ein, der nächste Gang wird bei einem anderen Team eingenommen. Partner, Gang, Gäste, Gastgeber – alles wird zugeteilt. Erst war Beatrice sehr skeptisch: Eine Freundin hatte ihr den Gutschein für das Dinner-Event geschenkt. „Was da wohl für Leute mitmachen?“
Es sind Leute wie Cora, die am anderen Ende des Tisches sitzt. Das Jumping Dinner ist für sie ideale Gelegenheit, um neue Leute und vielleicht auch einen netten Mann kennen zu lernen: „Speed Dating – das ist doch die reine Fleischbeschau“, findet die 41-Jährige. „Beim Jumping Dinner ist alles so schön ungezwungen, die Leute sind offen und kontaktfreudig, und ein Gesprächsthema hat man auch immer.“
Einmal hat sie hier sogar einen festen Freund kennen gelernt – schon bei der Vorspeise hatte es gefunkt. Erdnusssuppe. Ein paar Monate hielt die Beziehung, jetzt hält Cora wieder Ausschau.
Gestern war Sina auf einer Kuschelparty
Die Trommelrunde legt eine Pause ein. Es gibt klaren, gelben Tee und flache, sandfarbene Kekse. Sinas Augen leuchten. „Trommeln ist eine tolle Erfahrung – es verbindet einen mit den Schwingungen des Lebens“, sagt die 55-Jährige mit den raspelkurzen, schwarzen Haaren. Sina bezeichnet sich als „ganzheitlich orientierten Menschen“. Und für die gibt es viel zu erleben in München. Zum Beispiel die Kuschelparty, auf der Sina gestern war. „Ich hab’ mir den süßesten Typen geschnappt und war mit ihm in der „Date and more“ Ecke“ grinst sie. Eigentlich, sagt sie dann, geht es aber um den Austausch von Herzenswärme. Stephen hat sie dort kennen gelernt und ihn heute mitgebracht.
Nach der Pause gruppieren sich die Singles wieder um die Trommeln. „Möchtest du uns deinen Rhythmus vortrommeln?“ fragt die Lehrerin die stille Rosemarie mit der randlosen Brille. „Später vielleicht“, lehnt sie höflich ab. Erst soll jemand anders. Also trommelt Peter neben ihr. Randschlag, Randschlag, Bass, hohler Schlag. Und nochmal. Und wieder von vorn. Geredet wird kaum. Peter kaut Kaugummi, die Augen halb geschlossen, versunken im gleichmäßigen dumpfen Dröhnen. Der 42-Jährige ist extra aus Memmingen hergefahren, das Single-Kurs-Konzept gefällt ihm: „Vorrangig geht es um den Spaß – und wenn sich mehr ergibt, ist das schön.“
Heute hat aber niemand mehr Lust, noch gemeinsam in der Gastwirtschaft gegenüber einzukehren. „Es kommt immer auf die Leute an, heute war’s eine eher ruhigere Runde“, meint die Veranstalterin Regina Swoboda. Gefunden hat sich hier niemand.
Nach dem Dinner turtelt das erste Pärchen an der Bar
Um die gleiche Zeit, eine Woche später, steht Cora in Anjas Küche im Lehel und dreht hektisch an der Kaffee-Bohnen-Mahl-Maschine. Zum Glück steht das Tiramisu schon gekühlt und servierfertig auf dem Balkon, der Fruchtsalat auf dem Tisch. Die Gäste warteten schon vor der Tür, bei Beatrice und Marcus kam man vom Macher der Kürbiscremesuppe über Glückskeks-Sprüche zum Berlin-München-Vergleich zu Pilateskursen. Bis einer auf die Uhr sah und alle wieder in die Nacht ausschwärmten. Man trifft sich ja später wieder, auf der Party für alle Teilnehmer. Heute ist die im Café Mozart.
Dahin bricht auch die Lehel-Runde auf. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten ist beim Dessert noch eine nette Tischkonversation in Gang gekommen. Cora spekuliert in der Tram Richtung Sendlinger Tor, dass sich die Köche ihrer Vorspeise ineinander verguckt haben: „Die waren echt süß, einen Tag vorher haben sie sich zum Einkaufen getroffen und sind gleich zum Italiener gegangen.“ Anja ist skeptischer: „Er will schon, aber sie...“
Als sie ankommen, sitzen die beiden dicht nebeneinander an der Bar. Skeptikerin Beatrice von der Hauptspeise ist erleichtert: „Das war echt ein genialer Abend!“ Und Cora vertieft, den Begrüßungssekt in der Hand, eine Dinner-Bekanntschaft. „Ganz süß, aber ein bisschen jung – nichts zum Verlieben“, verrät sie. Vielleicht ja nächstes Mal.
Laura Kaufmann