Trissy und Allen sind wieder da!
MÜNCHEN/EBERSBERG - Die Geschwister Trissy (13) und Allen (15) sollten zurück in die USA abgeschoben werden - so wollte es das Jugendamt Ebersberg. Wenige Stunden vor dem Flug flüchteten die Jugendlichen aus einem Heim. Drei Tage lang irrten sie herum. Am Dienstagabend schellten sie an einem Kloster in Solln, baten um Hilfe.
Frierend, hungrig und mit nassen Hosenbeinen standen sie Arm in Arm neben der Babyklappe des Klosters St. Gabriel in Solln: Die vermissten Teenager Trissy (13) und Allen (15). Drei Tage waren die Geschwister untergetaucht – aus Angst, wieder zurück in die USA geschickt zu werden. Am Dienstagabend baten sie an der Pforte des Klosters darum, „ihre Mutter“ anrufen zu dürfen.
Die Teenager schliefen in Tiefgaragen
Sie meinten damit die Tagesmutter Timea S. (43) aus Baldham. Die Frau, Mutter von zwei Töchtern (13, 20), hatte die beiden im Sommer auf einem benachbarten Spielplatz kennengelernt. Nach und nach kam heraus, dass Trissy und Allen seit vier Jahren in einer Zwei-Zimmer-Wohnung bei einem schwerbehinderten älteren Mann und dessen Frau illegal in Baldham lebten. Ihr eigener Vater hatte sie ins Flugzeug gesetzt und zu seinen Bekannten geschickt. Die Kinder hatten die Eheleute nie zuvor gesehen. Trissy und Allen wurden versteckt, gingen nicht zur Schule und wurden – so ihre Aussage – regelmäßig verprügelt.
Timea S. übergab die Geschwister in die Obhut des Ebersberger Jugendamtes, kümmerte sich weiter intensiv um die beiden. Die Jugendlichen fassten Vertrauen zu ihr. Nachdem sie jahrlang hin und her geschoben worden waren, fanden sie bei der Tagesmutter offenbar Geborgenheit. „Wir wollen hier bleiben und bei Timea und ihrer Familie leben“, sagte Allen zur AZ. Timea S. stellte einen Antrag für die Übernahme einer Pflegschaft. Trissy und Allen wurden zunächst in einem Heim untergebracht.
"In Amerika gibt es keine Hoffnung, keine Zukunft für uns"
Bereits 2005 hatte das Amt einen Hinweis auf die Jugendlichen bekommen - folgenlos. „Mein Sohn hat die Behörden informiert, dass die Kinder nie zur Schule gingen“, so Klaus von S. zur AZ. Zwar besuchte das Jugendamt daraufhin das Ehepaar, doch gab es sich mit der Auskunft zufrieden, die Kinder seien nur zu Besuch. Klaus von S.: „Es war ein Versämnis, dass die kein zweites Mal vorbei geschaut haben, um sich zu vergewissern, dass das stimmt."
Versäumnisse wurden dem Amt schon früher vorgeworfen. Auch im Fall eines fünf Monate alten Babys, das 2003 in Kirchseeon offenbar totgeschüttelt worden war, wurde Kritik laut. Das Amt habe von den problematischen Verhältnissen gewusst, in denen die alkohol- und drogenabhängigen Eltern lebten - aber nichts unternommen, lautete der Vorwurf. Die Polizei stellte Unterlagen im Jugendamt sicher. Ermittelt wurde in diesem Zusammenhang jedoch nie gegen die Behörde. Auch wurden die Eltern, die wegen Mordes angeklagt waren, im Juli diesen Jahres frei gesprochen.
Nun sind sie wieder im Heim
Im Fall von Trissy und Allen ging es - nach dem Versäumnis 2005 - nun jedoch ganz schnell: Drei Tage vor der Anhörung sollten die Kinder zurück in die USA fliegen – auf Trissy und Allen wartete dort niemand, sie sollten wieder in ein Heim gebracht werden. Die Mutter der beiden hatte ihre Kinder bereits vor zehn Jahren verlassen und sitzt zur Zeit in U-Haft. Der Vater hatte das Sorgerecht schon vor Jahren an seine Eltern und später an die Bekannten in Deutschland übertragen. "Wir wollen nicht zurück nach Amerika, dort gibt es für uns keine Hoffnung, keine Zukunft“, sagt Allen.
Wenige Stunden vor dem Flug waren die Geschwister am Samstag weggelaufen, in den Taschen nur 24 Euro. Als sie aufgaben, trugen sie dünne Sweatshirts, Jeans und dreckige und durchnässte Stoff-Turnschuhe. „Wir haben kaum etwas gegessen und in Tiefgaragen geschlafen“, so Trissy. Auch in den Riem-Arkaden fanden die beiden - so ihre Erzählung - stundenweise Unterschlupf.
Wie es nun weiter geht, ist unklar. Immerhin bekamen die Jugendlichen am Mittwoch erstmals Gelegenheit, von einer Jugendrichterin im Amtsgericht Ebersberg angehört zu werden. Auch sollen die beiden nach Auskunft des Jugendamtes nun medizinisch und psychologisch untersucht werden, bevor über ihre Zukunft entschieden wird. Unterdessen wurden Trissy und Allen wieder ins Heim gebracht, dasselbe, aus dem sie am Samstag weggelaufen waren.
Nina Job
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