Trinker, Matratzen und Fäkalien: "Untragbare Zustände" in München-Untergiesing

Polizei und Straßenreinigung hat den Treff "Halt 58" in Untergiesing geräumt und den Platz gesäubert.
Eva von Steinburg
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Die Situation am "Halt 58" vor der Räumung: Menschen ohne Obdach haben sich mit Matratzen, Decken und Sitzmöbeln am Treffpunkt der Bürgerinitiative eingerichtet.
Die Situation am "Halt 58" vor der Räumung: Menschen ohne Obdach haben sich mit Matratzen, Decken und Sitzmöbeln am Treffpunkt der Bürgerinitiative eingerichtet. © Privat

München – "Ich habe nichts gegen die Leute, das kann man mir wirklich glauben, doch das geht zu weit", sagt Melly Kieweg von der Bürgerinitiative "Mehr Platz zum Leben" in Untergiesing.

Nahe dem Kolumbusplatz hat ihre Bürgerinitiative zusammen mit Künstlern die frühere Bushaltestelle am Fuß des Giesinger Bergs zu einem Treffpunkt im Viertel verwandelt. Entstanden ist der "Halt 58", ein Ort für die Begegnung von Nachbarn, für Graffiti und Subkultur, Freiluft-Schach und Urban Gardening.

Die Open-Air-Galerie verkommt zur Freiluft-Toilette

Dass ihre Open-Air-Galerie zur Freiluft-Toilette verkommt, hatte die Bürgerinitiative schon 2022 beklagt. 2024 schrieb sie sogar an OB Dieter Reiter (SPD). Doch die letzten drei Monate hatte zudem eine neue Klientel den Raum unter der Bahnbrücke erobert: "Bis zu 30 Männer, viele wirkten wie Trinker, hingen teilweise schon um 7 Uhr morgens mit Flasche in der Hand auf dem Gelände herum", hat Melly Kieweg beobachtet. Auch ein Anwohnersprecher hatte sich beim Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching und bei der Polizei beschwert – und Fotos gemailt: von Matratzen, Sperrmüll, leeren Flaschen, gebrauchten Spritzen und immer mehr Fäkalien hinter einer Treppe. "Bei der Polizeiinspektion 21 gingen mehrfach massive Beschwerden ein", bestätigt die Pressestelle des Polizeipräsidiums auf AZ-Anfrage.

13 Personen hat die Polizei einen Platzverweis erteilt

Die Untergiesingerin Kieweg hat erlebt: "Wenn ich am Halt 58 die Männer höflich angesprochen habe, dass hier keine öffentliche Toilette ist, habe ich bei Angetrunkenen oft einen aggressiven Ton herausgehört. Dann habe ich mich nicht mehr getraut." Wegen der "untragbaren Zustände am Kolumbusplatz" (O-Ton Polizeipräsidium) gab es nun eine Razzia mit Beamten der PI 21 und der Kontaktbeamtin der PI 23. In einer einstündigen Aktion haben Polizisten am 8. April das Gelände um acht Uhr morgens vollständig geräumt. 13 Personen haben einen Platzverweis bekommen.

Anais Schuster-Brandis, grüne BA-Chefin von Untergiesing.
Anais Schuster-Brandis, grüne BA-Chefin von Untergiesing. © Andreas Gregor

Die Straßenreinigung der Stadt hat den Halt 58 anschließend von Matratzen, Unrat und Fäkalien gesäubert. "Das war leider nötig. Die Situation dort war drüber", sagt Anais Schuster-Brandis (Grüne), Vorsitzende vom Bezirksausschuss Untergiesing-Harlaching: "Das Thema mit der Obdachlosigkeit und Trinkern haben wir schon länger. Geschützte Stadträume wie der Halt 58 öffnen eben auch Räume für Leute, die Schutz suchen."

Ein Problem: Die Toiletten der MVG am U-Bahnhof Kolumbusplatz sind immer noch zu

Direkt vor dem Alten- und Service-Zentrum am Kolumbusplatz war früher der lokale Hotspot: ein Treffpunkt von Männern ohne Arbeit. Streetworker von Condrobs und Akim hatten ein Auge auf die Szene. Jetzt hatte sich’s verschoben, sagt die BA-Chefin. Die Gruppe ist auf die andere Straßenseite gewechselt. "Für die Künstler vom Halt 58 ist es aber eine Zumutung, wenn sie ihre Wandgemälde praktisch an einer illegalen öffentlichen Toilette ausstellen", findet die Bürgerinitiative. Melly Kieweg kritisiert: "Mit ein Grund für die schlimme Verdreckung am Halt 58 ist, dass die Toiletten am U-Bahnhof Kolumbusplatz leider immer noch zu sind", lautet ihr Vorwurf Richtung MVG.

"Hier braucht es Streetworker", fordert die Bürgerinitiative

Die Räumung sei "ohne Zwischenfälle" verlaufen. Beamte wollen den Halt 58 regelmäßig kontrollieren, "um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen". Melly Kieweg und ihr Kreis sind erleichtert. Sie hofft, dass die Ruhe bis in den Sommer anhält: "Hier braucht es Streetworker, damit sich nicht wieder eine Szene entwickelt. Doch der Stein ist ins Rollen gekommen."
Das nächste Projekt der Initiative "Mehr Platz zum Leben" ist die Feier zum Tag des Baumes: 25. April, ab 14 Uhr, mit Künstlerin Rikki Reinwein (Hebenstreitstraße 2). 

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  • MüKi vor 53 Minuten / Bewertung:

    Also geräumt ist da aktuell nicht so ganz viel - zumindest sieht man im vorbeifahren auf den liegeartigen Sitzmöbeln die Schlafutensilien ausgebreitet rumliegen - so wie sich der Urlauber die Hotelliegen besetzt. Die ODaLos - gerne die mit dem Alkproblem - findens halt toll wenn man auch ihnen des Leben bissl schöner macht, Dach überm Kopf (Bahnbrücke), bequeme Liegen, bunte Umgebung und gleichgesinnte Gesellschaft. Andere Leute gehen da sowieso nicht hin um sich dort aufzuhalten - ein naiver Traum. Und warum sollten sie ihre Umgebung sauberhalten? Interessiert die nicht die Sauberkeit. Das machen dann schon irgendwann die städt. Arbeiter. entweder man gönnt es denen oder man macht die Möblierungen wieder weg. Dann bringen die die eigenen Matratzen mit. Schöner wirds auch nicht. Sind halt einfach auch da die Menschen.

  • Ostbayer vor einer Stunde / Bewertung:

    Antwort an Da Ding:
    Das ist erst der Anfang.
    Nachdem die Landesregierung der Stadt die Mittel für die Hotelunterbringung von Geflüchteten gestrichen hat, werden sich die Zustände noch verschlimmern.
    Da kann die Mehrheit im Stadtrat und die NGOs noch soviel skandieren "Wir haben Platz" und die "Seenotrettung" unterstützen.
    Wenn die Grenze des Leistbaren erreicht ist, dann kippt die Stimmung.

  • Bongo vor 4 Stunden / Bewertung:

    Antwort an Da Ding:
    Natürlich sind die Grünen am wenigsten schuld „ an diesem Zustand der Armut in Deutschland“, weil Fehler nur machen kann, wer regiert. Die Grünen wurden zweimal abgewählt, 2005 nach 7 Jahren Mitregierung und diesmal haben sie es nur auf gerademal 3 1/2 Jahre gebracht, dann wurde ihnen vom Wähler schon wieder der Stecker gezogen.

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