Trauerrednerin Kristin Holighaus: "Es berührt mich jedes Mal, aber es ist nicht mein Leid"

München - Kristin Holighaus (54) ist Trauerrednerin in München und beschäftigt sich deshalb fast täglich mit dem Tod. Davor hat die Pfarrerstochter als Journalistin, Filmemacherin und Stadtführerin gearbeitet.
Als sie ihre älteste Freundin in den Tod begleiten muss, kommt sie ins Grübeln. Freundinnen bringen sie auf die Idee, als Trauerrednerin zu arbeiten. Ein Gespräch über Beruf, Berufung und Begleitung.
AZ: Frau Holighaus, warum ergreift man einen Beruf, bei dem man es nur mit Trauernden zutun hat?
KRISTIN HOLIGHAUS: Weil einen der Beruf ganz nah ans Leben ranführt. Ich begleite Menschen an einem zentralen Wendepunkt. Es ist eine schöne Aufgabe, die Leute sind froh, dass ich da bin und entlaste. Es ist unglaublich erfüllend. Zwei Freundinnen brachten mich damals auf die Idee, dass das was für mich sein könnte. Das nötige Handwerkszeug hatte ich schon durch meinen Beruf, weil mich der Mensch an sich interessiert. Also habe ich mich für die Ausbildung entschlossen. So ist für mich alles an seinen Platz gefallen.
Über Empathie und Abstand
Frisst es nicht viel Kraft, ständig mit dem Tod konfrontiert zu sein? Weinen Sie manchmal mit?
Ich bin da selber erstaunt. Ich bekomme oft die Rückmeldung, dass ich sehr empathisch bin. Ich kann aber auch Abstand halten. Es berührt mich jedes Mal, aber es ist nicht mein Leid. Wenn ich heulend vorne stehen würde, würde das niemandem helfen. Das wäre schrecklich. Aber ich kann vermitteln, dass ich Anteil nehme. Es gibt Momente, in die ich persönlich verwickelt bin. Ich habe in diesem Jahr eine Freundin wieder beim Sterben begleitet. Das war schwer. Ich denke, in Zukunft werde ich das nicht mehr im Bekanntenkreis machen.
Die kirchlichen Bestattungen nehmen ab, es werden immer häufiger Trauerredner engagiert. Warum ist das Ihrer Meinung nach der Fall?
Oft erzählen mir die Leute, dass sie keine Bindung mehr zur Kirche haben - weder die Verstorbenen noch die Angehörigen. Und die Riten und Liturgien sagen den Leuten nichts mehr. Die Menschen wollen, dass über das Leben des Verstorbenen erzählt wird. Oft werden in der Kirche biografische Daten vorgelesen. Darüber sind viele Leute unglücklich. Wir arbeiten auch immer wieder mit Pfarrern gemeinsam. Das wollen nicht alle. Es gibt solche und solche. Es geht dabei nicht darum, wer etwas besser macht, sondern um unterschiedliche Ansätze. Die Beteiligten müssen harmonieren, das ist wichtig.
Sind Sie selber religiös?
Ich bin Pfarrerstochter (lacht). Manchmal hat mein Vater gescherzt, dass ich doch in seine Fußstapfen treten soll. Früher wäre das für mich undenkbar gewesen, mittlerweile könnte ich mir das eher vorstellen. Meine Spiritualität lebe ich vor allem in einem Gospelchor aus, in dem ich singe.
"Ich bin ja nicht auf Mission"
Wie beeinflusst Religion Ihre Arbeit?
Ich werde immer mal gefragt, ob ich auch ein Gebet miteinfließen lassen kann. Das mache ich natürlich. Aber ich halte es für ganz wichtig, niemandem etwas aufzudrängen, sondern den Vorstellungen der Trauernden zu entsprechen. Ich bin ja nicht auf Mission.
Es kommen Menschen zu Ihnen, die ihre eigene Trauerfeier planen. Gehören Sie dazu?
Ja, absolut. Ich möchte eine richtige Feier, bei der gelacht und geweint wird. Gerne verbunden mit einer Bergwanderung. Das würde ich mir wünschen.