Trauerredner in München: Sie sprechen über das Leben der Toten – überall

München - Wenn dieser Tage schon am Nachmittag die Sonne untergeht und die Blätter zuerst rot, dann braun gefärbt sind, dann ist Herbst – die dunkle Jahreszeit ist da. Mit dem katholischen Feiertag Allerheiligen beginnt auch die Zeit, in der Gläubige der Toten gedenken.
Aber nicht nur gläubige Christen sterben. In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Verstorbene mit sogenannten freien, konfessionslosen Trauerfeiern verabschiedet. Laut einer Auswertung der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas der Statistik der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche wurden 2020 das erste Mal unter 50 Prozent der Verstorbenen nicht durch eine christliche Beerdigung beigesetzt.
Trauerredner in München werden immer gefragter
Stark im Kommen sind Trauerfeiern mit ausgebildeten Trauerrednern. Eine von ihnen ist Daniela Mecklenburg. Sie ist in München und Umgebung aktiv, war davor Medienschaffende und begleitet seit drei Jahren Menschen in ihrer Trauer.

Auftraggeber finden Daniela Mecklenburg im Internet – oder sie wird vom Bestatter empfohlen. Sie kommt zu den Menschen nach Hause, stellt behutsam Fragen, lässt sich die Geschichte der Verstorbenen erzählen. Gemeinsam mit den Angehörigen plant sie die Trauerfeier.
Dafür schreibt sie Reden über das Leben der Verstorbenen, die sie bei der Abschiedsfeier vorträgt. Sie unterstützt die Familien, die passende Musik auszuwählen, eigene Wortbeiträge zu verfassen. Sie erarbeitet gemeinsam mit den Trauernden eine Zeremonie für die Toten. "Ob von der Arbeiterfamilie aus Obergiesing, oder der Professorengattin aus Starnberg, die Aufträge kommen aus allen Gesellschaftsschichten", sagt sie. Je nach Aufwand und Art der Feier kosten die Dienste eines professionellen Trauerredners zwischen circa 400 und 600 Euro.
"Die Gesellschaft hat Abschiednehmen aus den Augen verloren"
Mecklenburg beschäftigt sich auch insgesamt mit der Geschichte des Trauerns und des Abschiednehmens. "Bis zum Zweiten Weltkrieg war es ganz normal, dass die Verstorbenen daheim gewaschen, angekleidet und aufgebahrt wurden. Familie und Freunde konnten in aller Ruhe Abschied nehmen, den Tod begreifen. Nach dem Krieg hatten die Menschen den Tod einfach satt, wollten damit möglichst nichts mehr zu tun haben", sagt die Trauerrednerin.
Bis heute habe unsere Gesellschaft das Abschiednehmen fast völlig aus den Augen verloren. "Dabei ist es so heilsam", findet Mecklenburg. Langsam ändere sich das Verhältnis zum Thema, alternative Bestattungsformen sind gefragt; zumindest in einer Großstadt wie München lässt sich das wahrnehmen.
Neue Formen der Trauer: Es gibt kein richtig oder falsch
Alte Muster würden häufiger aufgebrochen, Mecklenburg erinnert sich an ein paar ganz besondere Beispiele. Sie hat schon erlebt, wie sich eine Tanzgruppe mit bunten Tüchern um das Grab bewegte, ein Picknick am Grab veranstaltet wurde oder Kinder dem suchtkranken Vater einen letzten Schnaps ins Grab gegossen haben. "Ich war auf Trauerfeiern im Wirtshaus, im Garten, im Ruderclub, im Fitnesscenter oder im Kinosaal – das Wichtige ist, es gibt kein richtig oder falsch. Sondern es soll ganz einfach zu der verstorbenen Person passen", sagt Mecklenburg.
Mit Corona sei noch mal eine neue Art der Trauerfeier in den Fokus gerückt: digital per Zoom am Computer. "Da war ich zuerst sehr skeptisch. Und dann habe ich wunderschöne, sehr berührende Feiern erlebt", erinnert sie sich. Mittlerweile bietet Daniela Mecklenburg diese Art von Trauerfeier ebenfalls an.
"Ich habe auch schon wunderschöne digitale Feiern erlebt"
Livemusik per Zoom, eine Diashow oder Zusammenkünfte über Hunderte Kilometer hinweg – das seien die positiven Seiten der digitalen Trauerfeier. Die Familien und Freunde würden dabei vieles mitgestalten, das mache eine Trauerfeier rührend und einzigartig.
Wenn sie von den Menschen spricht, welche die Trauerrede bei ihr buchen, spricht sie nicht von Angehörigen. "Wir sagen lieber Zugehörige. Die klassische Familie mit Mutter, Vater, Kind, Oma, Opa ist seltener geworden. Wir haben so viele Patchwork-Familien, die erste bis dritte Ehefrau, gleichgeschlechtliche Paare, neue Formen von Lebensgemeinschaften – Zugehöriger erscheint uns passender", sagt sie.
Mit "uns" meint Mecklenburg das Netzwerk Bohana. Dahinter stehen rund 160 Menschen, die im deutschsprachigen Raum Dienstleitungen rund ums Thema Tod und Trauer anbieten. Die Bohana Partner wollen informieren, inspirieren und unterstützen bei Bestattung, Trauer und Vorbereitung.
Netzwerken ist für Mecklenburg wichtig. Auch weil sie sagt: "Die meisten Zugehörigen sind erschreckend wenig vorbereitet. Kaum jemand kennt die Möglichkeiten. Menschen sterben im Krankenhaus und dann geht alles viel zu schnell. Das muss aber nicht so sein. Zugehörige haben das Recht, den Körper oder die Urne zur Totenwache nach Hause zu bekommen, sofern die vorgeschriebenen Fristen eingehalten werden. Das wissen viele nicht."
Am schönsten findet Daniela Mecklenburg Trauerfeiern im Wald inmitten der Natur. Das könnte sie sich für sich selbst auch vorstellen. Derweil will sie aber noch lange vielen anderen Trost spenden.
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