Transmann Kai: "Für meine Mutter war mein Outing schwierig"

Für meine Mutter war mein Outing schwierig. Ich war doch ihre einzige Tochter“, sagt Transmann Kai (28). Doch im Vergleich zu Josephine (AZ berichtete) und anderen Transidenten hatte der junge Tierarzt aus dem Augsburger Umland großes Glück: „Ich weiß, dass viele Tränen geflossen sind. Aber meine Familie hat trotzdem sehr verständnisvoll reagiert.“
München - Auch Kai erzählt in der AZ seine Geschichte:
„Ich bin mit zwei Brüdern in Sachsen aufgewachsen und immer mit den Jungs unterwegs gewesen. Wenn ich ein Kleid anziehen sollte, fand ich das blöd. Aber zum Glück kam das nicht häufig vor. Meine Kindheit war glücklich, das familiäre Umfeld offen und tolerant.
Erst am Gymnasium habe ich gemerkt, dass ich irgendwie anders bin. Da gab’s die Tussis, die coolen Macho-Typen und die, die irgendwie rausgefallen sind – so wie ich. Weil ich immer weite Klamotten getragen habe und mir meine Frisur meist egal war, habe ich von den anderen Mädels oft Sprüche zu hören bekommen: Sollen wir dir mal zeigen, wie man sich stylt? Weißt du überhaupt, was Schminke ist? Solche Sachen.
Als Teenager habe ich festgestellt, dass ich auf Mädchen stehe, mit 15 hatte ich meine erste Freundin. Dass ich fortan als Lesbe galt, hat mir einige Freiheiten verschafft. Da passt es ins Klischee, wenn man sich maskulin gibt. Ganz stimmig hat es sich für mich aber nicht angefühlt. War es ja auch nicht – doch von Transsexualität hatte ich bis dahin noch nie etwas gehört. Außerdem fand ich meinen Körper optisch ansprechend. Nur die Brüste haben mich halt gestört. Später war ich dann viel in Queer-Organisationen unterwegs. Da ging es häufig um die Auflösung der Geschlechtergrenzen – und plötzlich habe ich mich aufgehoben gefühlt.
Kurz nachdem ich zum Studieren nach München gezogen bin, hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Ein Freund wollte, dass ich ihn zu einer Info-Veranstaltung von VivaTS begleite, das ist eine Transsexuellen-Selbsthilfegruppe. Letzten Endes hat mir dieses Treffen viel mehr gebracht als meinem Freund.
Es hat nicht lange gedauert, und ich hatte den ersten Termin beim Therapeuten. Der hat mir eigentlich nur Fragen gestellt und mich in keine Richtung gedrängt. Das Coming Out war letztlich extrem erleichternd – aber der Weg dorthin war schwer: Wie kann ich sicher sein, habe ich mich immer wieder gefragt. Ich bin schließlich nicht so der Klischee-Kerl, der auf Fußball steht, sondern eher der Softie. Welche Konsequenzen wird meine Entscheidung haben? Heute weiß ich: Sie war absolut richtig.
Bei der Personenstandsänderung habe ich meinen zweiten Vornamen gemeinsam mit meinen Eltern ausgesucht. Es war mir wichtig, sie miteinzubeziehen. Trotzdem hat es vier Jahre gedauert, bis sie ,er’ sagten und nicht mehr ,sie’, wenn sie über mich sprachen.
Um meine Brüste loszuwerden, habe ich erst Hormone genommen und mich dann unters Messer gelegt. Vor dem Eingriff war ich ziemlich aufgeregt, danach erleichtert. Endlich habe ich keine Binder oder andere Hilfsmittel mehr gebraucht, um meine Oberweite zu verstecken.
Die Brust-OP habe ich mir immer gewünscht. Bei der geschlechtsangleichenden Operation ist die Entscheidung viel schwieriger. Man kann Monate ausfallen, trotz guter ärztlicher Versorgung sind Komplikationen relativ häufig und das Ergebnis sieht nicht in jedem Fall so aus, wie man es sich gewünscht hätte. Da ist der Aufwand echt groß – und die Prozedur durchaus riskant.“
Anlaufstellen für junge Transidente:
Lamda: bayernweites Netzwerk von Regenbogen-Jugendgruppen mit eigenem Transreferart (www.lambda-bayern.de),
FrienTS: Münchner Jugendgruppe (www.diversity-muenchen.de/frienTS).
Weitere Infos: vivats.de, transtagung-muenchen.com, transmann.de