Tragödie in Solln: "Er hat für uns sein Leben gegeben“

Dominik Brunner, der Manager aus Ergoldsbach stellte sich vor Sarah (13) und ihre Freunde – und bezahlte das mit seinem Leben. Jetzt schildert sie erstmals das mutige Eingreifen des 50-Jährigen
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Dominik Brunner hat sich schützend vor Sarah gestellt
Nina Job Dominik Brunner hat sich schützend vor Sarah gestellt

MÜNCHEN - Dominik Brunner, der Manager aus Ergoldsbach stellte sich vor Sarah (13) und ihre Freunde – und bezahlte das mit seinem Leben. Jetzt schildert sie erstmals das mutige Eingreifen des 50-Jährigen

Es sind diese entsetzlichen Bilder, die immer wieder auftauchen. Bilder, die Sarah (13) wahrscheinlich nie mehr vergessen kann: Das Gesicht des Mannes, der sie und ihre Freunde beschützt hatte, ist voller Blut. Es quillt aus seinem Mund, seiner Nase. Aber die brutalen Jugendlichen schlagen immer wieder zu. Der eine hält einen Schlüsselbund in der Hand, zwei Schlüssel sind nach vorn gerichtet, um noch wirkungsvoller verletzen zu können. Als Dominik Brunner (†50) am Boden liegt, tritt der Haupttäter mit voller Wucht gegen Dominik Brunners Kopf. Immer wieder.

Als die Schläger nach endlos scheinenden Minuten flüchten, steht der tödlich verletzte Manager noch einmal auf, er murmelt etwas, das Sarah nicht versteht. Dann bricht er zusammen und stirbt – vor den Augen der vier entsetzten, hilflosen Kinder.

Sarah war die Jüngste von ihnen. Unzählige Male am Tag denkt sie an Dominik Brunner. „Er hat für uns sein Leben gegeben. Ich danke ihm so sehr, dass er uns alle vier beschützt hat!“, sagt die 13-Jährige. Die AZ sprach mit dem Mädchen und ihrer Mutter am Tag, als Dominik Brunner in seiner Heimatgemeinde Ergoldsbach im Kreise seiner Familie beerdigt wurde. „Sie haben so einen tollen Menschen verloren. Mir tut seine Familie und seine Frau unendlich leid“, sagt die Realschülerin leise. „Ich werde ihn immer als Held in Gedanken behalten.“

Es hatte alles scheinbar harmlos begonnen. Sarah war mit ihrer Freundin Yasmin* (14) verabredet, die einen Buben (15) treffen wollte, den sie im Internet kennengelernt hatte. Auch er brachte einen Freund (14) mit. Die Vier wollten in Sendling Bowlen gehen.

An der Donnersberger Brücke am Bahnsteig treffen sie auf Markus S. (18), Sebastian L. (17) und Christoph T. (17). Die Fremden versuchen, die Kinder auszurauben: „Der eine, der dann wieder wegging (Christoph T. - die Red.), sagte: ’Gebt uns Geld, sonst gibt es Schläge! Er hat unsere Jungs dann auch geschlagen’“, erinnert sich Sarah. Trotzdem nimmt sie die Situation anfangs nicht sehr ernst.

Doch in der S7 in Richtung Wolfratshausen, in die alle gestiegen sind, spitzt sich die Situation zu. Die Drohungen der jungen Männer werden immer massiver. Ein bis dahin völlig unbeteiligter Fahrgast – Dominik Brunner – mischt sich ein. Der 50-Jährige fordert Markus S. und Sebastian T. auf, die Kinder in Ruhe zu lassen. Auch eine Frau zeigt Zivilcourage.

Dominik Brunner belässt es nicht bei Worten. „Er bot uns an, mit ihm weiter bis nach Solln zu fahren und dort mit ihm auszusteigen, damit uns nichts passiert“, berichtet Sarah. Zwei Stationen vor Solln, in Mittersendling, ruft er außerdem über Handy die Polizei. Er informiert sie über den Raubversuch und dass er mit den Kindern in Solln aussteigen wird.

Die Polizei ist noch nicht da, als der Manager mit Sarah und ihren Freunden die S-Bahn verlässt. Die beiden Schläger verfolgen sie. Die jungen Männer waren – wie auch die Kinder – weiter mit der S-Bahn gefahren als eigentlich beabsichtigt. Sarah: „Draußen sind die beiden mit geballten Fäusten auf unseren Beschützer losgegangen. Er rief uns noch zu: ’Haltet Euch raus!’“ Dann nimmt Dominik Brunner offenbar eine Kampfhaltung an und empfängt einen Jugendlichen mit einem Schlag. „Der Jugendliche ist daraufhin total ausgetickt“, sagt Sarah. Immer wieder schlägt und tritt der junge Mann wie von Sinnen auf den Manager ein. „Der muss im Blutrausch gewesen sein“, vermutet Sarahs Mutter Simone P. (46).

Die Zeit kommt Sarah endlos vor. „Wir haben ’Helft uns!’ geschrien, aber die Leute sind vorbeigegangen. Nur am anderen Bahnsteig haben welche ’Aufhören!’ rübergeschrien.“ Auch ihre Freunde hätten versucht, den Haupttäter zu stoppen. Schließlich, sagt Sarah, hätte auch der andere Schläger versucht, seinen Kumpel wegzuziehen. Vergeblich. Dominik Brunner liegt am Boden, die Kinder alarmieren den Rettungsdienst. Sarah: „Die waren ganz schnell da. Noch vor der Polizei.“

Das Mädchen und seine Mutter können nicht begreifen, wie die Täter so ausrasten konnten. „Was ist mit diesen Jugendlichen los? Wenn jeder, der nicht auf Rosen gebettet ist, sich so verhält, hätten wir nur noch Mord und Totschlag. Und das am helllichten Tag in der S-Bahn, da denkt man doch, man ist sicher“, sagt die Mutter fassungslos. Sie bekommt Gänsehaut, wenn sie sich vorstellt, was ihre Tochter miterlebte, schüttelt immer wieder den Kopf. „Ich bin Dominik Brunner unendlich dankbar. Es gibt nicht viele, die für andere einstehen“, sagt die Angestellte und Mutter von drei Kindern.

Am Mittwoch, als am Bahnhof in Solln eine Gedenkfeier für Dominik Brunner stattfand, mischten sich auch Sarah und Yasmin unter die Trauernden. Yasmins Bruder hatte schon einige Tage zuvor einen Zettel zu den vielen Blumen und Kerzen gelegt: „Ich möchte Ihnen hiermit meine Ehre erweisen und Ihnen danken, dass Sie auf meine Schwester aufgepasst haben.“

Die Kinder blieben dank ihrem Beschützer Dominik Brunner körperlich unversehrt, doch auch sie sind Opfer. Die Angst und das Grauen verfolgen Sarah bis in den Schlaf. „Ich wache dauernd auf, ich höre Stimmen. In meinem Zimmer schleicht ein Mann rum.“ In den vergangenen Tagen hat sie nachts ihr Zimmer abgeschlossen. „Seitdem fühlt sie sich etwas sicherer“, sagt ihre Mutter.

Nina Job

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