Tourismus in München: Noch nicht über den Berg

Die volle Innenstadt diesen Sommer spricht für sich: Die Touristen kommen wieder nach München. Doch die Branche hat weiter Probleme. Die AZ hat sich umgehört.
von  Conie Morarescu
Roger Holzapfel-Barta vom Hotel Deutsche Eiche in einem der Zimmer.
Roger Holzapfel-Barta vom Hotel Deutsche Eiche in einem der Zimmer. © Foto: Daniel von Loeper

München - Es fehlen die chinesischen Kunden, dafür kommen umso mehr Amerikaner", sagt Marion Marr, Mitinhaberin vom Obacht Laden in der Altstadt. Dort können Münchner wie Touristen bayerische Geschenke und Souvenirs kaufen. "Die sollen ganz narrisch sein auf die Passionsspiele, wurde mir gesagt", erklärt sich Marr den amerikanischen Zulauf. Der Wechselkurs dürfte sicherlich auch mit reinspielen.

Die Verschiebung der Nachfrage, auch ein Ausbleiben der russischen Touristen, berichten Münchens Hoteliers, Gastgeber und Ladenbesitzer gleichermaßen. Nichtsdestotrotz war es ein guter Sommer bisher, darin sind sich alle einig. Europäische und amerikanische Gäste konnten die Lücke offenbar gut füllen.

Umsatz fast auf Normalniveau

"Heuer ist der Umsatz fast auf Normalniveau", sagt Marr zuversichtlich. Normalniveau, damit ist die Lage vor der Pandemie gemeint. Zum Vergleich werden die Zahlen vom Sommer 2019 herangezogen. Im ersten Quartal 2022 verzeichnete das Referat für Arbeit und Wirtschaft zwar nur knapp 40 Prozent des Aufkommens im gleichen Zeitraum 2019. Von April bis Juni wurden allerdings knapp 90 Prozent der Übernachtungen aus der Vor-Corona-Zeit generiert.

Mit einer erhöhten Nachfrage ist es aber nicht getan, das Angebot muss lieferbar sein. Marion Marr leidet glücklicherweise nicht unter Lieferengpässen: "Wir legen großen Wert auf Nachhaltigkeit und stellen viele Produkte selbst her oder lassen sie in der Region produzieren. Uns betreffen die Lieferstopps aus China nicht."

Limitierender Faktor: Personalmangel

Der limitierende Faktor für viele Einzelhändler, Hoteliers und Gastronomen ist diesen Sommer nicht die Nachfrage, häufig liegt das Problem beim Personalmangel. Das bestätigt auch Christian Schottenhamel.

Der Münchner Wiesn-Festwirt und Unternehmer berichtet aus eigener Erfahrung, aber auch als DEHOGA Kreisvorsitzender für München: "Viele gastronomische Betriebe müssen Ruhetage einlegen, weil Personal fehlt. Mir geht es selbst so am Nockherberg." Auch das Paulaner am Nockherberg, das von Familie Schottenhamel geführt wird, hat aus diesem Grund einen Ruhetag eingeführt. Christian Schottenhamel ist dennoch zuversichtlich, dass das Wiesn-Geschäft gut laufen wird. Die Plätze seien ausgebucht, wenn auch die Reservierungen später erst eingetrudelt seien als gewohnt. "Manchmal gibt es noch Stornierungen, aber es rutschen sofort neue Gäste nach", so Schottenhamel.

Unterkünfte in München zur Wiesnzeit fast alle ausgebucht

An Wiesn-Personal scheint es auch nicht zu mangeln, es werde mit Puffer geplant, falls Mitarbeiter sich mit Corona infizieren und ausfallen. Der Festwirt geht davon aus, dass es heuer etwas anders sein wird auf der Wiesn als sonst: "Ich glaube, das Publikum wird insgesamt jünger sein, denn es sind eher die älteren Gäste, die vorsichtiger sein werden", so seine Einschätzung.

Die Wiesn, wichtigste Einnahmequelle für die Branche, keine Frage. Das zeigt auch eine Analyse des Buchungsportals Holidu. Für die Wiesn sind kaum mehr Ferienunterkünfte vorhanden. Wer noch eine erwischt, muss kräftig zahlen: Durchschnittlich 507 Euro pro Nacht kostet eine Unterkunft. Das ist teuerer als Paris (466 Euro) oder Zürich (505 Euro). Aber auch andere Großveranstaltungen sind ein Touristen-Magnet. In diesem Sommer waren das sicherlich die drei Großkonzerte in Riem, die Passionsspiele in Oberammergau, auch die European Championships. "Früher hat die Branche solche Veranstaltungen als zusätzliche Schmankerl mitgenommen, heute schätzen die Hoteliers jedes dieser Events ganz besonders, denn sie merken den Unterschied stark", sagt Michael Höflich von der Tourismus Initiative München (TIM).

München: keine reine Touristen-Stadt

Aber nicht nur Robbie Williams und Helene Fischer ziehen die Menschen in die Stadt. Höflich betont, München sei keine reine Touristen-Stadt, München sei auch eine Stadt für Münchner. Die Authentizität sei ausschlaggebend dafür, dass sich die Gäste wohlfühlen würden. Auch dürfe man den Tagestourismus nicht unterschätzen. Der spiegle sich vor allem in der Passantenfrequenz auf der Fußgängerzone wider, die täglich gezählt werde. "Im Juli haben wir sogar fast dasselbe Niveau wie 2019 erreicht", so Höflich.

Laut des Marktforschungsinstituts des IVD Süd wurden an den Messpunkten 2019 im Durchschnitt 3082 Personen pro Stunde gezählt. Sehr zufrieden zeigt sich auch Roger Holzapfel-Barta, Geschäftsführer des Traditionshotels Deutsche Eiche am Gärtnerplatz. Die Nachfrage habe sich schnell wieder erholt, die Auslastung sei zum Teil sogar höher als im Sommer 2019. "Personell musste ich aufstocken, die meisten alten Mitarbeiter sind uns zum Glück geblieben", berichtet der Hotelbetreiber.

Insgesamt arbeiten rund 60 Beschäftigte aus 26 Ländern für das Hotel. Langjährige und treue Angestellte. Das würden die Stammkunden besonders schätzen. "Wir sind unseren Stammkunden sehr dankbar, dass sie uns treu geblieben und immer wieder zurückgekehrt sind", so Holzapfel-Barta. Personalbindung und Kundenbindung, zwei wichtige Überlebensgaranten in Krisenzeiten. Insgesamt ist der Tourismus in ganz Bayern dabei, sich zu erholen. Laut einer Mitteilung des Landesamts für Statistik verzeichneten die Beherbergungsbetriebe im Freistaat 4,5 Millionen Gästeankünfte und fast 11,5 Millionen Übernachtungen. Fast genauso viele wie noch vor der Pandemie.

Gastgewerbe lebt nun einmal vom Familiären und Heimeligen. Das können ganz besonders kleine, private Gastgeber bieten. Und sie sind noch in anderen Bereichen im Vorteil: Die Betriebskosten fallen deutlich geringer aus, Personal wird häufig nicht benötigt. So der Fall auch bei Bianka Prinz-Jasny, Betreiberin der kleinen Pension Prinz in Solln: "Mir tun große Hotelbetreiber momentan wirklich leid", sagt sie. Während diese dringend Personal suchen, was sich durch die Wohnungsnot in der Stadt noch erschwert, ist Prinz-Jasny nur auf sich selbst angewiesen. Ihre Appartements sind gut ausgelastet, auch zur Wiesnzeit. Die Pension Prinz gibt es seit 13 Jahren.

Prinz-Jasny spüre die ausbleibende Nachfrage von chinesischen Gästen stark, Amerikaner würden sich bei ihr selten einmieten. Obwohl sie den Umsatz von 2019 nicht erreichen wird, ist sie gelassen: "Ich mache mir keine Sorgen, das Haus gehört mir, die Kosten halten sich in Grenzen, ich komme auch mit weniger Umsatz aus." Nicht immer müssen es die kleinen Betriebe schwerer haben.

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