Tolle Bilder: AZ-Rundflug mit der Tante Ju
Die Motoren dröhnen wie Presslufthämmer, die kleine Maschine rattert wie ein übersteuertes Powerplate. Es zischt, rumpelt, eine Rauchfahne zieht am Fenster vorbei. Drinnen, im Wellblechbauch des Flugzeugs, ist es so laut, dass man schreien muss, will man verstanden werden.
Dann hebt die alte Dame ab. So langsam, dass man die Rotorblätter der Triebwerke beinahe noch sehen kann. Mit Tempo 150 schnauft sie himmelwärts.
Moderne Passagiermaschinen starten mit der zwei- bis dreifachen Geschwindigkeit. Doch dieses Flugzeug ist nicht modern, es ist ein historisches Modell, es ist 62 Jahre alt, eine Junkers JU-52, kurz: eine Tante Ju.
Die AZ verlost einen Rundflug mit der alten Tante JU: Hier gibt's die Infos
1932 entwickelte der Dessauer Ingenieur Hugo Junkers dieses behäbige, aber äußerst zuverlässige Flugzeug. Sechs Jahre später war es die Standard-Maschine der Lufthansa, die damit Ziele in ganz Europa anflog. Die Passagiere freuten sich über die Heizung, mit der die Maschine damals als eine der ersten aufwarten konnte.
Wer jenseits der Alpen landen wollte, musste über dem Gebirge allerdings eine Sauerstoffmaske aufsetzen – Ju hat keine Druckkabine.
Vorne im Cockpit dreht Pilot Kurt Waldmeier am Schwungrad neben seinem Sitz. Zwei Pfeile sind darauf gemalt, einer zeigt nach hinten, einer nach vorn. „Schwanzlastig“ steht neben dem ersten, „kopflastig“ neben dem zweiten. Über der Allianz Arena fährt Kapitän Waldmeier mit dem Holzrad die Landeklappen ein, die gewünschte Flughöhe von 600 Metern ist erreicht. Tiefer darf kein Flugzeug über München kreisen.
Rechts ragt der Fernsehturm aus dem Häusermeer, das Glasdach des Olympiastadions glitzert in der Sonne. Mittendrin stehen Sattelschlepper, hinter der Bühne lauert eine monströse gelbe Plastik-Gestalt und wartet auf ihren Auftritt bei einem Pop-Konzert später. Sie ist nur kurz zu sehen – dann verschwindet sie unter der geriffelten Tragfläche von Tante Ju und dem rechten der drei BMW-Motoren, zwei davon sind noch Baujahr 1939.
An der Stelle, an der sich Flieger-Flügel und Triebwerk treffen, ist eine kleine schwarze Anzeige angebracht: 1200 Liter Treibstoff passen laut Angabe in den zugehörigen Tank (es gibt zwei). Der Zeiger steht auf 800 – wie beruhigend.
Im Zweiten Weltkrieg wurden hunderte JU-52 als Behelfsbomber, für Versorgungsflüge und den Transport von Verwundeten eingesetzt. Auch Beate Uhse saß damals am Steuerhorn einer Maschine diesen Typs. Sie war Pilotin, bevor sie den ersten Sex-Shop der Welt eröffnete.
Bis 1952 wurden rund 4800 JU-52 hergestellt, zunächst in Dessau, später auch in spanischen und französischen Werken, die Lizenzen erworben hatten. Heute existieren noch acht flugfähige Exemplare, von denen die meisten für Rundflüge eingesetzt werden – zum Beispiel über München. Die Maschine, die nun über den Villen von Grünwald dahingrollt, gehört der Schweizer Ju-Air und dem Verein der Freunde historischer Luftfahrzeuge. Sie wurde 1949 in Spanien gebaut, mit Seitenbänken sowie einer Schiebetür für Fallschirmspringer ausgestattet und an die Schweizer Luftwaffe ausgeliefert. Die Eidgenossen versorgten mit ihrer Hilfe die Bewohner eingeschneiter Bergdörfer.
Bis 1990 stand sie als nostalgisches Accessoire auf der Terrasse des Düsseldorfer Flughafens. Dann möbelten Ju-Air und Co. die alte Lady wieder auf und statteten sie mit 17<TH>Sitzen für Passagiere und einem Flugbegleiter-Platz aus. „Das hat sieben Jahre gedauert. Wir mussten sie einmal komplett auseinander nehmen und wieder zusammenbauen“, sagt Bernd Huckenbeck, der Vorsitzende des Mönchengladbacher Vereins.
Sechs Millionen Mark hat der Wiederaufbau damals gekostet. 60.000 Euro sind jedes Jahr für die Versicherung des Flugzeugs fällig, einen der alten Motoren zu überholen, schlägt mit 150.000 Euro zu Buche. Mit Rundflügen allein sind diese Ausgaben kaum zu decken – obwohl die Piloten sich in ihrer Freizeit und nur für ein Taschengeld hinters Steuer setzen.
Wer eine derart teure Passion hat, braucht finanzstarke Partner. Deshalb prangt an der Außenwand der Ju der Schriftzug des Kölner Koffer-Herstellers „Rimowa“. „Junkers JU-52 ist auch ein Teil unserer Geschichte. Deshalb wollen wir diesen Mythos am Leben erhalten“, sagt Geschäftsführer Dieter Morszeck, der selbst seit 29 Jahren eine Pilotenlizenz besitzt. „Mein Vater hat 1950 den ersten Koffer aus Struktur-Flugzeugaluminium entwickelt – aus demselben Material also, das auch bei der Ju verwendet wurde.“ Die typischen Rillen haben beide: Koffer und Flugzeug.
Mittlerweile haben wir Starnberg erreicht, auf dem dunkelgrünen See kann man die weißen Segel der Boote erkennen, auf der Terrasse des „Undosa“ schützen fünf orange Sonnenschirme die Gäste.
Nicht allzu weit von hier hat Hugo Junkers seinen Lebensabend verbracht. „Er ist nach Bayern ins Exil gegangen“, erzählt Bernd Huckenbeck. Die Nazis hatten den Unternehmer gleich nach der Machtergreifung aus seinen Flugzeug- und Motorenwerken gedrängt, weil sie ihn für „politisch unzuverlässig“ hielten. Sie stellten die ganze Familie unter Hausarrest und drohten dem Patriarchen mit einem Prozess wegen Landesverrats, sollte er das Fabrikgelände je wieder betreten.
Hugo Junkers starb 1935 an seinem 76. Geburtstag in Gauting. Er wurde auf dem Münchner Waldfriedhof beigesetzt.
Am Boden taucht der Hangar der Flugwerft Schleißheim auf. Von hier aus ist Tante Ju vor einer Stunde gestartet. Die alte Lady hat es fast geschafft. Sie schnauft, zittert und keucht, als sie an Höhe verliert. Ganz langsam sinkt sie der Landebahn entgegen. Dann setzt sie auf – sanft und sicher, ganz damenhaft.
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