Toilettenfrauen als Koks-Bekämpfer
Im AZ-Interview spricht der Chef des Drogendezernats, Armin Aumüller, über Razzien und Brennpunkte in der Stadt - und sagt, was ein Gramm wirklich kostet.
AZ: Herr Aumüller, Kokain – ist das immer noch angesagt?
ARMIN AUMÜLLER: Oh ja. Die Fallzahlen sind in den vergangenen zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen. Auch in diesem Jahr geht dieser Trend unverändert weiter.
Wer zieht sich das weiße Pulver rein?
Kokain ist nicht mehr nur die Droge der Schönen und Reichen. Es ist auf der Straße angekommen. Das nehmen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten.
Und berauschen sich beim Feiern in Clubs?
Teilweise in Clubs, ja, wobei das meistens nur auf den Toiletten geschieht – also nicht öffentlich. Unsere Strategie ist es ja seit zehn Jahren, den Konsum aller Drogen durch hohen Kontrolldruck aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Deswegen konsumieren viele Kokain auch auf privaten Partys in Wohnungen.
Kontrolldruck im Club – wie geht das?
Wir haben seit vier Jahren die Arbeitsgruppe „Partydrogen“, deren Beamte die Clubs besuchen. Wenn sie jemanden mit Kokain oder etwas anderem erwischen, nehmen sie ihn – wenn möglich – gleich im Club fest. 2011 hatten wir 170 solcher Festnahmen.
Sind in manchen Clubs besonders viele Kokain-Konsumenten zu finden?
Das ist komplett unterschiedlich. Es richtet sich nach DJ oder nach Event. Ein Club kann eine bestimmte Party veranstalten, wo es keiner nimmt – am Tag darauf findet dann eine Techno- oder Elektro-Party statt, und das Kokain ist da.
Wie gehen die Clubbetreiber damit um?
Der Großteil ist mittlerweile sehr professionell und zugänglich. Die wissen: Gibt es ein Problem, bringt das negative Presse und vielleicht auch ein Publikum, das Drogen sucht. Und niemand will weggehen und Angst haben, dass die Polizei gleich den Laden stürmt. Manche wechseln die Türsteher oder führen Taschenkontrollen ein – andere stellen Toilettenfrauen ein, die darauf achten, dass Gäste nicht zu zweit in eine Kabine gehen.
Wie kommt man in München an die Droge?
Das sind geschlossene Versorgungskreise: Irgendeiner kennt irgendwen, der besorgt was. Unsere Strategie lautet: keine Zugriffsnähe! Öffentliche Bereiche, an denen gedealt wurde, gibt es heute nicht mehr. Wenn, dann wird im Nachtleben gedealt – im alten Kunstpark Ost oder auf der Sonnenstraße. Tagsüber ist es aber schwierig, sich in der Stadt Kokain zu besorgen.
Was kostet ein Gramm hier in München?
Wegen unseres Kontrolldrucks ist es sehr viel teurer als in anderen deutschen Städten: 80 bis 100 Euro – statt 50 bis 60 in anderen Orten.
Ist das mehr oder weniger als noch vor einigen Jahren?
In den vergangenen vier, fünf Jahren hat sich beim Preis wenig getan.
Hat sich dafür beim Wirkstoffgehalt etwas verändert?
Ich denke, er ist in letzter Zeit minimal gesunken. Er liegt derzeit bei etwa 50 bis 60 Prozent.
Das heißt: Die Hälfte eines Gramms ist gestreckt.
Ja – das kann zerstoßenes Paracetamol, Aspirin, oder irgendein anderes Medikament sein. Sogar Abführmittel. Seltener ist Traubenzucker. Das schmeckt sehr süß, dabei ist Kokain eher bitter.
Was denken Sie: Werden Sie Kokain irgendwann verdrängen können?
Koks wird bleiben. Und wir werden auch zunehmend Probleme mit dem hochgefährlichen Crystal haben – die ersten Fälle haben wir hier schon. Das wird eine neue Dimension.
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