Eine Toilette für alle? CSU kann Aufregung um Unisex-Klos am Viktualienmarkt in München nicht nachvollziehen

München - Eigentlich kennt man die Piktogramme an WC-Türen: Ein stilisierter Mann und eine Frau zeigen an, wer wo rein darf. Am Viktualienmarkt sieht das seit Kurzem anders aus. Rechts ist eine Toilettenschüssel abgebildet, links ein Pissoir sowie ebenfalls eine Toilettenschüssel. Eine strikte Trennung gibt es damit nicht mehr, jeder darf beide Kabinen nutzen.
Für Verwirrung sorgt das vor Ort scheinbar nicht. Eine Frau wartet zwar rechts vor der Tür mit der abgebildeten Toilettenschüssel, obwohl die linke Kabine frei wäre. Ob sie weiß, dass sie diese auch nutzen könnte? "Das habe ich mir schon gedacht. Aber irgendwie ist man es halt gewohnt, zu warten." Auch die restlichen Besucher entscheiden sich zielstrebig. Gewohnheiten scheinen sich eben zu halten.
Viktualienmarkt in München: Zunächst hatten Männer noch eine eigene Toilette – Frauen nicht
Doch die neue Regelung hat kürzlich für große Aufregung gesorgt. Denn zunächst sah die Beschilderung noch anders aus. Die Herrentoilette wurde unverändert mit einem Mann gekennzeichnet, auf der Seite der Damen war hingegen das geteilte Symbol zu sehen, das sowohl einen Mann als auch eine Frau zeigt und die Nutzung für alle Geschlechter signalisiert.
"Das Frauen-WC am Münchner Viktualienmarkt ist jetzt wirklich eine inklusive Gendertoilette. Jeder, der sagt, er 'identifiziert' sich als Frau, kann theoretisch jetzt rein. Die Männer haben noch ihre eigene Toilette", kommentierte entnervt eine Frau auf X, früher Twitter.

Auch die "Frauen Aktion München" schlug Alarm, klagte in einem offenen Brief über eine Ungleichbehandlung angesichts der fehlenden Damentoilette. "Aufgrund körperlich-biologischer Gegebenheiten sind Frauen einfach stärker auf eigene Toiletten angewiesen", so eine Sprecherin der Initiative. Beispielsweise erfordere die Nutzung von Hygieneartikeln während der Menstruation mehr Zeit. Die Frauen Aktion äußert zudem schwerwiegende Befürchtungen: Frauentoiletten bieten nach Ansicht der Initiative Schutz vor sexueller Gewalt. "In der Vergangenheit konnten sich Frauen und Mädchen eher darauf verlassen, dass Alarm geschlagen wird, falls ein Mann in Frauenschutzräume eindringt." Wenn diese nun offen für alle seien, falle die Absicherung weg. "Frauen müssen dann immer mit Männern auf der Toilette rechnen und das hat starke Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl."
Zudem bestehe die Gefahr, dass versteckte Kameras angebracht würden, wie eine Sprecherin der Frauen Aktion sagt. In England etwa, wo man schon vor Jahren zu Unisex-Einrichtungen umgebaut habe, hätten zwei Männer so vier Jahre lang 5000 Mädchen in gemischtgeschlechtlichen Umkleiden gefilmt. Dort rudere man daher zurück. Die Regierung hat kürzlich eine neue Regelung angekündigt, nach der separate Toiletten in neuen öffentlichen Gebäuden wieder Pflicht werden.

Klos auf dem Viktualienmarkt: Grundlage für die Änderung ist ein Stadtratsbeschluss
Das Kommunalreferat verweist auf Anfrage auf einen Stadtratsbeschluss aus dem Dezember 2019. Demnach "sollen als Mindeststandard bei neu zu errichtenden Toilettenanlagen Diverse berücksichtigt und Toiletten als Unisex-Toiletten errichtet werden". Entsprechend habe man auch die Toiletten am Viktualienmarkt neutral gekennzeichnet. Die Bedenken der Frauen Aktion kann man im CSU-geführten Kommunalreferat nicht nachvollziehen.
Die Toiletten blieben "ein in ihrer Funktion geschützter Raum", heißt es aus dem Haus der scheidenden Referentin Kristina Frank. Während die linke Toilette aus einzeln absperrbaren Kabinen neben Urinalen bestehe, gebe es in der rechten weiterhin nur eine einzelne, abschließbare Toilette ohne Vorraum. "So kann jedem individuellen Schutzbedürfnis Rechnung getragen werden, da jede Person die rechte Toilette zur ausschließlichen Nutzung wählen kann", teilt das Kommunalreferat mit.
Nach der Aufregung um die Beschilderung, die eine reine Männertoilette nahelegte und keine eigene für Frauen, wurde die Symbolik kürzlich angepasst. Die Frauen Aktion kann das allerdings nicht beruhigen. "Diese neue Beschilderung ändert nichts an der Tatsache, dass Frauentoiletten verschwunden sind", sagt eine Sprecherin zur AZ.
Den "vermeintlichen Fortschritt hin zu Unisextoiletten" betrachtet die Frauen Aktion vielmehr als "eine Abschaffung einer Selbstverständlichkeit und Ignoranz gegenüber Bedürfnissen der allermeisten Frauen". Die Initiative bleibt bei ihren Vorwürfen: "Unserer Überzeugung nach sind Toiletten ausschließlich für Frauen unverhandelbar. Der Toilettengang ist eine intime und verletzliche Situation, die entsprechenden Schutz erfordert."
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