Tödliche Verwechslung: Schizophrener gesteht nach 18 Jahren Mord

Ein psychisch kranker Münchner (65) gibt zu, 1996 den Bibliothekar Josef Enzesberger in Herrsching erschossen zu haben. Eigentlich wollte er einen ganz anderen Mann töten.
HERRSCHING/MÜNCHEN Wenn er nicht von sich aus reinen Tisch gemacht hätte, wäre dieser Mord wohl nie geklärt worden. Ein heute 65 Jahre alter Rentner aus München hat sich einem Arzt im Isar-Amper-Klinikum anvertraut und ihm gestanden, am 8. Januar 1996 den Bibliothekar Josef Enzesberger (†52) vor dessen Haustür in Herrsching am Ammersee erschossen zu haben. Der Patient hat sein Geständnis auch bei der Polizei wiederholt. „Es gibt nachprüfbare Informationen. Wir gehen von einem dringenden Tatverdacht aus“, bestätigte Staatsanwalt Florian Glitwitzky der AZ.
Mehr als 17 Jahre lang hatten sich Kripo-Beamte die Zähne an dem Fall ausgebissen. Auch 10000 Euro Belohnung und eine Fahndung bei „Aktenzeichen XY“ hatten nicht zum Erfolg geführt. In jede Richtung war ermittelt worden. Mal vermuteten die Kriminaler das Werk eines Profikillers, mal wurde spekuliert, Enzesberger selbst habe seinen Mörder engagiert, weil er nicht mehr leben wollte. Auch seine Ehefrau geriet in Verdacht.
Doch alle Ermittlungsansätze verloren sich im Nichts, für keinen gab es konkrete Anhaltspunkte und schon gar keine Beweise. Auch die Spurenlage führte nicht weiter: Der Täter hatte fast keine hinterlassen, und er war auch nicht gesehen worden.
Erst durch das Geständnis kam jetzt heraus: Der Mord an Josef Enzesberger war offenbar die Tat eines psychisch kranken Mannes, der nicht nur kein Motiv hatte, sondern auch noch seine eigentliche Zielperson verwechselte.
Wolf G. (65) leidet nach AZ-Informationen unter paranoider Schizophrenie und war schon längere Zeit in der Psychiatrie untergebracht. Er gestand, dass er den damaligen Polizeichef von Herrsching, Max E., erschießen wollte. Wolf G. behauptet, er sei kurz zuvor bei ihm auf dem Revier gewesen, um „eine Mitteilung zu machen“. Ob es zu dieser Begegnung tatsächlich gekommen ist, ist mehr als ungewiss.
Die Polizei vermutet, dass Wolf G. im Telefonbuch nachgeschaut hat, wo der Polizist wohnte. Doch der war nicht mit Adresse eingetragen. Direkt unter seinem Namen stand der Name des Mordopfers – mit einer Adresse. So fuhr Wolf G. zu dieser Adresse, klingelte und erschoss den Mann, der ihm die Tür öffnete.
Zur Tatzeit lebte Wolf G. unweit des Schwabinger Krankenhauses in München. Er war verheiratet und Vater von zwei Kindern. Kurz nach dem Mord ließen sich die Eheleute scheiden. Einen richtigen Job hatte Wolf G. nie; er hatte Jura und Theologie studiert, aber das Studium nicht abgeschlossen.
Der mutmaßliche Mörder gab auch an, wo er die Tatwaffe, eine Walther PPK, Kaliber 7.65, entsorgt hatte: Er habe sie in den Nymphenburger Schlosskanal geworfen, sagt er. Die Polizei suchte dort, konnte die Pistole aber nicht finden.
Voraussichtlich im September soll der Mordprozess gegen Wolf G. beginnen.