Todeskampf in der Isar: Vater will Sohn retten und stirbt
MÜNCHEN - Als der Münchner Karl D. (40)seinen zweijährigen Sohn aus der Isar retten will, reißen ihn die Fluten mit sich. Erst nach vier Kilometern wird er leblos unterhalb des Kulturstrands angeschwemmt.
Sie wollten gemeinsam einen schönen Tag verbringen und am Flaucher die strahlende Juni-Sonne genießen. Doch am Nachmittag zerrissen die Fluten der Isar das Glück einer Münchner Familie. Vater Karl D. (†40) ertrank im Hochwasser, als er seinen kleinen Sohn aus der tödlichen Strömung der Isar retten wollte.
Es ist eine unfassbare Tragödie, die sich am Sonntag an der Marienklausenbrücke gegen 14 Uhr in Thalkirchen zuträgt. Der zweijährige Sohn von Karl und Fabrizia (34) taucht sein kleines Spielzeugauto ins seichte Wasser der Isar. Als das Spielzeug weggetrieben wird, läuft der Bub hinterher – und wird plötzlich von der Strömung mitgerissen und direkt in eine Wasserwalze unterhalb der Brücke gespült. Vater Karl schwimmt seinem Sohn hinterher. Die Rettungsaktion kostet ihn das Leben.
Der Bub trägt eine Kinderschwimmweste - das rettet ihm das Leben
Wasserwachtler Erik H. (22) beobachtet das Unglück und zieht zusammen mit einem Passanten das Kind aus dem Wasser. Doch für Vater Karl kommt die Hilfe zu spät. Weil der Bub eine aufblasbare Kinderschwimmweste trägt, war er nicht gleich untergegangen. „Das hat ihm wahrscheinlich das Leben gerettet“, sagt Retter Erik H. zur AZ. Doch für Vater Karl kommt die Hilfe zu spät. „Er hat sich wahrscheinlich den Kopf unter Wasser angestoßen und wurde weggespült.“ Während er noch das Kind am Ufer reanimiert, ist dessen Vater in den braunen Fluten verschwunden.
Mehr als vier Kilometer wird der Mann die Isar flussabwärts gespült. Ein Großaufgebot von 50 Rettern der Feuerwehr sucht den Mann per Helikopter. Etliche Passanten sehen vom Ufer aus, wie er im Wasser treibt. Erst an der Corneliusbrücke wird der bewusstlose Mann auf eine Sandbank geschwemmt. Direkt unterhalb des Kulturstrands, wo Menschen an diesem Tag die Sonne genießen und Cocktails schlürfen, liegt der blutüberströmte Familienvater. Die Reanimationsversuche der Notärzte scheitern. Karl D. ist tot.
„Es war furchtbar, das mitanzusehen“, sagt eine Besucherin des Kulturstrands mit kreidebleichem Gesicht. Während die Rettungskräfte den Leichnam bergen, bietet sich ein schauriges Schauspiel. Nur wenige Meter entfernt an der Reichenbachbrücke reiten die Surfer unter den Blicken hunderter Schaulustiger die Wellen der aufgewühlten und lebensgefährlichen Isar.
Ehefrau und Tochter werden psychologisch betreut
Zur selben Zeit wird Ehefrau Fabrizia ins Krankenhaus gebracht. Sie erleidet nach der Tragödie einen schweren Schock. Auch ihre Tochter (5) muss psychologisch betreut werden. Wasserwachtler Erik H. erinnert sich an den Moment, als er Fabrizias Sohn am Ufer reanimierte, und der Vater längst von den braunen Fluten der Isar verschluckt worden war. „Die Frau hat hysterisch geschrien und war sehr panisch“, sagt der Rettungsschwimmer.
Nachdem Erik erste Hilfe geleistet hat, wurde auch Fabrizias und Karls Sohn ins Krankenhaus gebracht. „Der Junge ist unterkühlt und muss behandelt werden, er schwebt aber nicht mehr in Lebensgefahr“, sagt ein Sprecher der Feuerwehr. Der Bub wird das Unglück überleben, das seinem Vater das Leben gekostet – und seine Familie für immer zerrissen hat.
Reinhard Keck
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