Tirol sucht den "Patient Null" der Corona-Mutation - die Spur führt nach München

Die Person, die vermutlich die südafrikanische Variante des Coronavirus nach Tirol gebracht hat, kam nach den Ermittlungen der österreichischen Gesundheitsbehörden nach einem fünfwöchigen arbeitsbedingten Aufenthalt in Südafrika am 10. Dezember vergangenen Jahres über den Flughafen München in den Tiroler Bezirk Schwaz. Das Erstaunliche: Ein noch am Ankunftstag in einem privaten Labor vorgenommener PCR-Test sei negativ verlaufen, teilte die Landesregierung in Innsbruck mit.
Südafrika-Mutante des Coronavirus: Vom Münchner Flughafen nach Tirol
Anders sei es bei einem in Süddeutschland lebenden Mann gewesen, der elf Stunden lang im Flugzeug von Südafrika nach München neben dem mutmaßlichen "Fall Null" gesessen hatte. Der Deutsche sei noch am Flughafen positiv auf das Virus getestet worden. Beide Passagiere - die beruflich miteinander zu tun hatten - hätten während der gesamten Flugzeit FFP2-Masken getragen. Der Sitz zwischen ihnen sei frei geblieben. Dennoch erkrankte die mutmaßliche Kontaktperson Null innerhalb weniger Tage nach der Rückkehr aus Südafrika so schwer an Covid-19, dass sie im Landeskrankenhaus Niederösterreich behandelt werden musste.
Der letzte Beweis dafür, dass die Südafrika-Mutante so nach Tirol und möglicherweise auch in andere Teile Österreichs gelangte, ist laut der Landesregierung aber nicht zu führen, da die entsprechenden Abstrichproben "für eine Sequenzierung nicht mehr zur Verfügung stehen". Allerdings: Vor Ausbruch der Erkrankung hatte der Betreffende einen Bekannten im Tiroler Bezirk Schwaz besucht, bei dem später die südafrikanische Virus-Variante nachgewiesen worden war - bislang galt dieser Patient als "Kontaktperson Null".
Auch in Bayern greifen Virus-Mutationen um sich
Der Bezirkshauptmann von Schwaz, Michael Brandl, habe nun umgehend über das europaweit vernetzte Tracing-System die deutschen Behörden informiert. "Wichtig ist uns, zu betonen, dass es bei den Erhebungen nicht darum geht, einen ,Schuldigen' zu suchen. Es geht einzig und allein darum, mögliche Infektionsketten bestmöglich nachzuvollziehen und allen Hinweisen nachzugehen, damit sich die ansteckenderen Mutationen nicht weiter ausbreiten können", ließ er mitteilen.
Auch in Bayern greifen laut Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) Virus-Mutationen um sich. Dabei seien in Studien von Ende Januar die höchsten Anteile an Fällen mit Verdacht auf die britische Variante des Corona-Virus in den grenznahen Landkreisen zur Tschechischen Republik festgestellt worden. Im Landkreis Bayreuth wurde bei 15 von 31 positiven Corona-Tests die "UK-Variante" diagnostiziert, in Wunsiedel in 62 von 102 positiven Fällen.
Wegen Mutation wurde Tirol und die Grenze zu Bayern abgeriegelt
Anfang Februar ergab sich bei einem weiteren Screening im Kreis Tirschenreuth bei 123 von 177 positiven PCR-Tests der Verdacht auf die britische Mutante. Diese sei leichter übertragbar, so der Minister. Hinweise auf eine verringerte Wirksamkeit der Impfstoffe lägen aber nicht vor. Etwas anders wird die südafrikanische Variante eingeschätzt, deren vermehrtes Auftreten inzwischen zur Abriegelung des österreichischen Bundeslands Tirol und zu einer weitgehenden Schließung der Grenze zu Bayern geführt hat und die im Freistaat bisher offenbar weniger aufgetreten ist.
Neben der leichteren Übertragbarkeit wird befürchtet, dass diese Mutante heftigere Erkrankungen auslösen und darüber hinaus weniger auf Impfungen ansprechen könnte. Bei bisher 380 Sequenzierungen, also Untersuchungen von Corona-positiven Proben auf Mutationen, wurde bisher nur 14 Mal die südafrikanische Variante nachgewiesen, teilte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit. Die Fälle stammten aus den Kreisen Rosenheim und Landsberg am Lech.
Tirols als "Virusvariantengebiet": Behörden befürchten Rückstau an der Grenze
Das LGL bestätigte, dass im Freistaat mittlerweile in zwei Fällen geraume Zeit nach einer zweiten Anti-Corona-Impfung eine Sars-CoV-2-Infektion beobachtet worden ist. Ein "unvollkommener Impfschutz" sei statistisch gesehen bei 10.000 von inzwischen mehr als 200.000 geimpften Personen in Bayern möglich, da die bisher verwendeten Impfstoffe nur eine Wirksamkeit von 95 Prozent versprechen. Aus den beiden bisher beobachteten Fällen ließen sich jedoch noch keine belastbaren Schlussfolgerungen ableiten, teilte das Landesamt mit. Man gehe davon aus, dass eine Impfung auch die Schwere des Krankheitsverlaufs abmildern könne.
Die Ausweisung Tirols als "Virusvariantengebiet" seitens der deutschen Bundesregierung und die nachhaltige Erschwerung von Grenzübertritten belastet das Verhältnis des österreichischen Bundeslands zu seinen Nachbarn. Nach Ansicht von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und seiner Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) ist durch die Einstufung eine "massive Gefahr für die Verkehrs- und Versorgungssicherheit" des Landes eingetreten. Man befürchte wegen der erschwerten Ausreise nach Bayern einen "extremen Rückstau" auf der Inntalautobahn vor dem Grenzübergang Kufstein/Kiefersfelden.
"Wir lassen es nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird"
Tirol werde daher den Lkw-Transitverkehr aus Italien nach Deutschland schon am Grenzübergang überprüfen und "vorsorglich dosieren". Lkw-Fahrern, welche die entsprechenden Dokumente und einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Testbescheid nicht dabei haben, werde "die Weiterfahrt untersagt", so Platter. "Wir lassen es nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird. Aus diesem Grund wird in Abstimmung mit dem Bund eine Verordnung erlassen, die uns Kontrollen bereits am Brenner ermöglicht."