Til Schweiger im AZ-Interview: Keine Angst vor großen Gefühlen
München - Er ist gekommen, obwohl die Berlinale noch tobte. Jetzt hat „Honig im Kopf“ bereits 5,5 Millionen Zuschauer und hält sich nach acht Wochen weiter mehr als tapfer in den Top 10. Zum Sternefest der Abendzeitung im Lustspielhaus ist Til Schweiger nach München gereist.
AZ: Herr Schweiger, ein hartes Thema wie Alzheimer, da haben viele gesagt: Das kann nicht laufen! Aber 5,5 Millionen waren schon in „Honig im Kopf“. Kann man Erfolg planen, ahnen und genießen?
TIL SCHWEIGER: Ich fange mal von hinten an: „Mit dem Genießen“. Ja, kann man, wenn man mit einem Grinsen durch die Welt läuft wie zum Beispiel jetzt auf der Berlinale, wo ich mit allen aus meinem Team, die mir bei „Honig im Kopf“ zur Seite standen, gefeiert habe. Aber was das Feiern betrifft, da muss man vorsichtig sein.
Bernd Eichinger gab mir den Rat: Feiern, bevor es anders kommt!
Wegen des Alkohols?
Nein, da gibt es die Geschichte mit Bernd Eichinger zu meinem ersten eigenen produzierten Film „Knockin’ on Heaven’s Door“. Bernd war auf der Premiere und meinte: „Der Film wird trotz des Themas Krebs sehr gut laufen.“ Er gab mir den Rat: „Til, das musst Du jetzt wirklich genießen und feiern, denn nach dem Erfolg von ,Christiane F.’, dachte ich: Super gelaufen, jetzt mache ich gleich so weiter. Aber es kam anders.“ Und so erging es mir auch! Aber als dann „Keinohrhasen“ wieder einschlug, da habe ich dann richtig gefeiert, vierzehn Tage lang!
Und was das „Planen“ und „Ahnen“ von Erfolg anbelangt?
Das geht nicht. Man sollte aber immer fest an ein Projekt glauben. Bei „Honig im Kopf“ habe ich kurz an „Ziemlich beste Freunde“ gedacht und mir gesagt: Das ist ja ein Film, der könnte auch von mir sein, der ist in meinem Stil. Und so habe in meinen kühnsten Träumen heimlich gedacht: Mensch, so rund fünf Millionen Zuschauer müssten dann doch auch für „Honig im Kopf“ drinsein. Aber ich habe mir natürlich verboten, das zu denken.
Nun ist aber der Persönlichkeitsverlust durch zunehmende Demenz vielleicht noch härter als Lähmung.
Da muss man vorsichtig sein. Ich habe einmal öffentlich gesagt, „Alzheimer, das ist die schlimmste Krankheit, weil man da seine Persönlichkeit verliert. Daraufhin kamen dann Reaktionen von Leuten, die zum Beispiel mit Krebs und anderen Krankheiten zu tun hatten. Ich möchte wirklich nichts verharmlosen oder Leid relativieren. Jeder kann auch im nächsten Moment hinfallen und vom Hals ab gelähmt sein, wie Samuel Koch. Oder man steigt ins Auto und wird zusammengefahren. Aber davon geht man im Alltag nicht aus. Vor Alzheimer haben aber alle ganz real Angst. Das war auch die Angst vom Verleih, dass das Thema abschrecken könnte.
Und wie waren die Reaktionen?
Es sind Leute reingegangen, die haben anderen erzählt, wie schön der Film ist und denen die Angst genommen. Und eine gute Kritik kann da auch für eine erste Vertrauenswelle sorgen.
Und wo hat es nicht geklappt?
Bei meiner einzigen englischen Produktion, die ich bisher gemacht habe: „One Way“. Mir war das Thema wichtig, es geht um Vergewaltigung. Ich bin mit viel Geld reingegangen und habe bei der Bank gebürgt. Der Film ist gut geworden, kam aber nicht an. Und bei „Schutzengel“ war klar: Das Action-Genre läuft in Deutschland nicht so gut, aber 730 000 Zuschauer sind trotzdem mehr als nur „tapfer“.
Vielleicht, weil die Deutschen bei Action mehr auf die Amis vertrauen...
...und weil Kriegsfilme in Deutschland einen schwereren Stand haben, was an unserer Vergangenheit liegt. Wir sind pazifistischer. Und manche Filme werden dann verrissen.
Kritiker schreiben zu viel für Kollegen – anstatt fürs Publikum
Sie hadern ja oft mit Filmkritiken...
Ja. Aber natürlich darf man als Kritiker auch einen Film verreißen. Nur die Frage ist: Für wen schreibt man? Ich war kürzlich auf einem Podium vor dreihundert Zuschauern, da haben bekannte Kritiker mit mir gesessen. Und wenn man zugehört hat, hat man gemerkt: Die haben fast unverhohlen zugegeben, dass sie vor allem für sich und ihre Kollegen schreiben. Aber das ist doch idiotisch.
Was macht dann die Qualität eines Films für Sie aus?
Nicht unbedingt nur der Erfolg. Dafür ist zum Beispiel ein Lieblingsfilm von mir, „Gone Baby, Gone“ von Ben Affleck viel zu schlecht im Kino gelaufen. Aber es gibt ein klares Kriterium für Qualität: Wenn man nach dem Abspann den Film im Kopf behält und er noch lange nachwirkt. Nach Clint Eastwoods „The Hereafter“ bin ich aus dem Kino in Toronto herausgegangen und mir sind auf der Rolltreppe immer noch die Tränen runtergelaufen, so war ich durchgeschüttelt und berührt.
Und was, wenn ein Film kitschig ist?
Die Deutschen sagen zu schnell: „Kitsch!“, weil sie Gefühle schlechter zulassen können. Kitsch ist subjektiv und man darf es nicht mit Gefühlen und Romantik verwechseln. Das muss erlaubt sein – vor allem auch im Kino. „Titanic“ ist zum Beispiel auch Kitsch, aber ein fantastischer Film. Für mich ist „Terminator 2“ zwar Action, aber er hat mich zugleich tief bewegt. Auch das geht.
Die Gala des AZ-Sternefest - Sterne verbinden
Sie selbst zeigen in Ihren Filmen oft Patchworkfamilien. Am Ende von „Honig im Kopf“ ist eine Familie durch die Tochter wieder mit sich stärker im Reinen als zuvor. Wie stehen Sie zu den Familienwerten?
Als ich noch verheiratet war und auch nach der Scheidung, wurde ich immer gefragt, was ich für Beziehungstipps für meine „Traumehe“ habe. Das wurde von den Medien immer so hoch geschrieben. Dabei war das eine ganz normale Ehe mit Höhen und Tiefen. Aber es stimmt, eine Botschaft meiner Filme ist: Es lohnt sich für die Familie zu kämpfen. Und bei „Honig im Kopf“ zeigt die Enkelin, wie man mit Menschen umgeht, die dement werden. Man lässt den anderen so sein, wie er ist.
Der Film zeigt auch, dass man mit dieser Krankheit noch schöne Momente haben kann.
Es kommt auf unsere Gesellschaft an, mit Demenz richtig umzugehen. In einer Talkshow saß die Tochter vom Rudi Assauer neben mir und hat erzählt, wie ihr Vater gemerkt und gewusst hat, dass er dement wird. Aber es war ihm lieber, dass die Leute gedacht haben, dass er zuviel getrunken hat, weil ihm das weniger peinlich war als krank zu sein. Das ist krass.
HIV-Positive sagten: Nach deinem Film geht’s uns besser
Was kann da Ihr Film leisten?
Ich merke an den vielen Briefen, Mails und Gesprächen, dass ich Menschen bewegen und die Angst vor Demenz und dem Umgang damit abbauen kann. Und da habe ich mich zurückerinnert in die Zeit, als ich „nur“ Schauspieler war. Da habe ich gedacht: Jeder Arzt, jede Krankenschwester, jeder Polizist macht mehr für die Gesellschaft als ich. Heute bin ich glücklich, dass auch ich etwas bewegen kann und das ging los mit „Knockin’ on Heaven’s Door“. Da haben mir zwei HIV-Positive gesagt. „Du, immer wenn wir schlecht drauf sind, schauen wir Deinen Film und uns geht’s besser!“ Das ist ein so schönes Gefühl. Genau so etwas gibt meinem Leben Sinn.
Der Film läuft u.a. im Mathäser, Cinemaxx, Rio, am Sendlinger Tor und in den Leopold-Kinos
INTERVIEW mit Til Schweiger: 1963 in Freiburg im Breisgau geboren, spielte in der „Lindenstraße“ und im Kinofilm „Manta, Manta“, ehe er mit seiner Rolle im „Bewegten Mann“ zum Star wurde. Seit 1997 schreibt er die meisten Drehbücher selbst, ist Produzent und oft auch Hauptdarsteller seiner Filme, die ein Millionenpublikum anziehen.
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