Tierschutz vs. Sicherheitsgefühl: Streit um fehlende Beleuchtungen in Münchner Parks
München - Es kann ein Dilemma sein: Auf der einen Seite Menschen, die sich mehr Sicherheit wünschen, Ältere, junge Frauen, auf der anderen Seite das wachsende Verantwortungsbewusstsein für Umwelt- und Tierschutz. An der Beleuchtung so manch dunkler Ecke in München scheiden sich die Geister. Im vergangenen Jahr wünschte sich ein Bürger mehr Beleuchtung im Domagkpark, doch der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann lehnte einstimmig ab - "aus ökologischen Gründen".
Ist der Park zu dunkel?
An einem trüben Oktoberwochenende schlendert ein älteres Paar über das noch relativ neue Areal im Norden von Schwabing. Wie sehen sie die Sache mit der Beleuchtung? Sie finden den Park gut genug erhellt, aber: "Wir gehen auch nicht nachts hier lang." Man könne außerdem durch die benachbarte Gertrud-Grunow-Straße gehen, wenn einem der Park zu dunkel sei, ergänzt der Mann.
Finden sie es generell richtig, Tierschutz den Vorrang bei Beleuchtungsfragen zu geben? "Aber ja", meint die Frau. "Tierschutz, Pflanzenschutz, alles." Der Verein Domagkpark, der sich für eine lebendige Nachbarschaft einsetzt, weiß nur von Einzelpersonen, die die Beleuchtung als unzureichend empfinden. Ansonsten gebe es keine Wünsche oder gar Forderungen nach mehr Licht im Park. "Auch wir sehen keinen Bedarf dafür", bekräftigt Vorstand Thomas Eberhard.
"Das war am Anfang schon ein Thema", sagt Nicola Eggert vom Nachbarschaftstreff und Wohncafé Domagkpark. Vor allem Richtung Trambahn hätten sich die Menschen mehr Lampen gewünscht. Damals, vor fünf Jahren, habe es den Domagkpark allerdings noch nicht gegeben und auch keine entsprechende Beleuchtung. Inzwischen sei allein durch die hinzugekommenen Geschäfte die Licht-Situation am Bauhausplatz Richtung Haltestelle eine andere.
Umstellung von Weißlicht auf gelbes Licht
Als Problem für Senioren kennt Thomas John, Geschäftsführer der Landessenioren-Vertretung Bayern, das Thema Beleuchtung nur aus Ebersberg. Dort habe man etwa am Marienplatz zunächst von Weißlicht auf gelbes Licht umgestellt, aus Stromspargründen. Das habe dazu geführt, dass es wesentlich dunkler geworden sei. Eine Seniorenbefragung vor zwei Jahren habe ergeben, dass ältere Menschen bei Dunkelheit Angst hätten, weil der Platz nicht genug ausgeleuchtet erschien. "Und die wollen auch wissen, wo sie hintreten." Nun habe die Stadt neue Sparlampen aufgestellt: teurer, aber heller.
Manuela Sauer leitet das Referat für Grundsatzfragen beim Kreisjugendring München-Stadt. Sie stuft die Beleuchtungssituation in der Stadt als verbesserungswürdig ein. 2019 schilderten Mädchen auf einer Konferenz im Rathaus ihre Probleme. Mehr weibliche U-Bahnwachen wurden da etwa im Bereich Sicherheit gefordert - und bessere Beleuchtung in Parks und Nebenstraßen. Es gebe ja inzwischen Beleuchtungen mit Bewegungsmelder, Scheinwerfer, die nur den Boden beleuchten, insgesamt recht viele technische Möglichkeiten, Sicherheit und Tierschutz zusammenzubringen, findet Sauer.
Besseres Sicherheitsgefühl der Bevölkerung
Das Stadtjugendamt habe sich der Sache angenommen. Der Handlungsbedarf ist nach Sauers Ansicht da besonders hoch, wo keine Alternativen zu Wegen möglich sind. Betroffen sind ihr zufolge aber nicht nur Mädchen und Frauen, sondern auch Jungen und Männer. "Das Sicherheitsgefühl würde sich für die ganze Bevölkerung verbessern mit mehr Beleuchtung." Sauer glaubt, dass die Stadtpolitik das Thema ernstnimmt, nur die Abläufe dauerten eben "unendlich lang".
Beim Baureferat verweist man auf die Möglichkeit, auf sogenannten "Nachtspaziergänge" vor Ort "konkrete Verbesserungsmöglichkeiten an den bestehenden Beleuchtungsanlagen" zu diskutieren. Diese Möglichkeit lobt auch Sauer - sie führte beispielsweise am Lucia-Popp-Bogen in Obermenzing dazu, dass drei neue Lichtmasten aufgestellt wurden.
Das Baureferat gibt an, seit vielen Jahren eine Beleuchtung von Straßen, Plätzen und Wegen umzusetzen, "die das Ziel hat, unnötige Lichtemissionen zu vermeiden. Beispielsweise verringern eine gezielte Lichtlenkung und Lampen mit geringem Blauanteil den Anflug von nachtaktiven Insekten und helfen, den Lebensrhythmus von Tieren und Pflanzen weniger zu beeinträchtigen". Grundsätzlich gelte für Grünanlagen, dass nur solche Wege beleuchtet werden, die zu Haltestellen führen oder bei denen es sich um Schulwege handelt.
Doch was sagt die Wissenschaft zum Thema Lichtverschmutzung? Bart Kempenaers, geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen bei München, findet den Begriff der Lichtverschmutzung unglücklich. "Das klingt sehr negativ."
Effekte der Beleuchtung in Straßen und Parks seien da, Vogelmännchen fingen früher am Tag und im Jahr an zu singen, die Tiere fingen auch früher mit Brutaktivitäten an, dies wirke sich aber nicht auf den Bruterfolg und die Populationsentwicklung aus.
Lichtart ist entscheidend
Laut Kempenaers gibt es viele Faktoren, die in der Stadt auf Vögel einwirken, Temperatur und Fütterung etwa. "Lichtverschmutzung ist eher das kleinere Übel." Der Ornithologe hält wenig davon, Sicherheit gegen Artenschutz auszuspielen. Gäbe es denn Lichtquellen, die weniger Einfluss auf Tiere haben und sich in der Stadt nutzen ließen?
Kempenaers weiß von einer Studie in den Niederlanden, die in einem Wald die Wirkung von weißem, rotem und grünem Licht sowie gar keiner Lichtquelle miteinander verglich und keine deutlichen Unterschiede in ihrer Wirkung ergab. Die Lichtart sei wohl nicht das Entscheidende. "Man muss nicht übertreiben", findet Kempenaers.
Sehr starke Lichter wie etwa die Lichtsäulen am Denkmal für den 11. September in New York würden sich zwar wohl stark auswirken - bei Straßenbeleuchtung sei es aber sinnvoller, der Sicherheit den Vorzug zu geben. "Man geht eigentlich gegen den falschen Feind vor", erläutert der Professor. Abgase und Lärm seien für Vögel schlimmer.
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