Tierpark wirbt mit totem Affenbaby
Auch nach ihrem schrecklichen Tod macht der Tierpark Hellabrunn Werbung mit Orang-Utan-Baby Anni. Schuld an dem Unglücksfall sind laut einem Gutachten Fehler beim Gehege-Bau.
MÜNCHEN Annis Bild ziert nicht nur den Jahreskalender des Münchner Zoos, das Portrait des Orang-Utan-Mädchens prangt auch auf allen Eintrittskarten und dem Tierpark-Flyer. Und das wird die nächste Zeit auch so bleiben. Hellabrunn-Sprecherin Doris Schwarzer: „Die wurden gerade neu gedruckt.“
Vier Tage nach dem schlimmen Unfall im Orang-Utan-„Paradies“ nahm am Montag Tierpark-Chef Henning Wiesner Stellung zu den Hintergründen um den Tod des kleinen Menschenaffen. Fazit: Schuld war Schlamperei beim Bau der von Zoo-Experten eigentlich als vorbildlich eingeschätzten Anlage.
Den Hals gebrochen
Wie berichtet, war die gerade ein Jahr alte Anni am Freitag bei einem Kletterausflug in dem erst im letzten Sommer neu eröffneten Gehege auf das Deckennetz ausgebüxt. Als sie versuchte, wieder zu ihrer Familie zu gelangen, fand sie die passende Stelle nicht mehr und wurde so nervös, dass die ganze Affen-Familie in Aufruhr versetzt wurde. Schließlich griff der 39-jährige Gehege-Chef Bruno ein: Beim Versuch, seine Tochter durch die enge Maschendraht-Abdeckung wieder zurück in den Käfig zu ziehen, brach ihr der zentnerschwere Orang-Utan den Hals.
Wiesner war gestern aus dem Urlaub zurückgekommen und hatte gleich am Vormittag einen Termin mit einem Bau-Sachverständigen angesetzt. Dabei stellte sich schnell heraus: Eindeutiger Pfusch bei der Montage des horizontalen Trenngitters ermöglichte Anni ihren fatalen Ausflug. Denn die Haltevorrichtung an der senkrechten Käfigwand hätte nur einen Spalt von maximal zehn Zentimetern freigeben dürfen. Tatsächlich waren es aber 16 Zentimeter. Das reichte der kleinen Äffin, um durchzukrabbeln. Die sechs Zentimeter Differenz bezeichnete der Tierpark-Chef gestern als „schmale, optisch unauffällige Kluft“. Diese werde jetzt umgehend gesichert, „ohne die Mobilität des Trenngitters einzuschränken“.
"Da war es leider schon zu spät“
Am Montag wurde durch die Stellungnahme der Tierpark-Leitung auch geklärt, wie das Hellabrunn-Personal auf den Vorfall reagiert hatte. Nachdem die Besucher aus dem Affenhaus gewiesen worden waren, spritzten Tierpfleger Bruno mit kaltem Wasser ab, um ihn von seiner fatalen „Hilfs-Aktion“ abzuhalten. Als das überhaupt nichts nützte, betäubte eine Tierpark-Tierärztin den Orang-Utan per Blasrohr-Spritze. Wiesner: „Da war es allerdings leider schon zu spät.“
Rudolf Huber
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