Tierische Eindringlinge: Die Wildsau steht vor München

München - In Augsburg war es vor knapp zwei Wochen soweit: Da marschierten von Norden her ein paar Wildschweine in die Stadt. Vorbei am MAN-Gelände und dem Arbeitsamt, den Lech immer weiter rauf. Eigentlich eine ganz schöne Strecke zum Spazierengehen, doch für die meisten der Borstentiere endete der Ausflug tödlich.
Auch in München steht die Wildsau kurz vor der Stadtgrenze: In Feldmoching, Oberschleißheim und Gauting, in Neuried und Großhadern – die Stadt ist quasi umzingelt. Einzelne Tiere sind schon drin.
Müssen also auch wir Angst haben, dass bald Schwarzwild unseren Weg kreuzt?
„Wildschweine sind schneller urbanisiert als wir denken“, sagt Alexander Mania, Schwarzwildberater von den Bayerischen Staatsforsten. Bis zum Marienplatz werden sie es wohl schwerlich schaffen. „Da verirren sich höchstens Füchse und Marder hin“, sagt Mania. Wildschweine meiden die Stadt eigentlich eher.
Ein paar Tiere haben sich in den vergangenen Jahren aber schon im Stadtgebiet blicken lassen. Im Haderner Wald kamen sie vor drei Jahren der Wohnbebauung so nah, dass man sie vom Klinikum Großhadern aus mühelos mit dem Fernglas beobachten konnte. Und in Trudering verfing sich vor zwei Jahren ein Frischling so hoffnungslos in einem Gartenzaun, dass er erschossen werden musste.
Werden Wildschweine aufgeschreckt – von einem Hund, einem Spaziergänger oder Feldarbeitern – verlieren sie manchmal die Orientierung. „Dann laufen sie recht kopflos los“, sagt Mania – manchmal auch dorthin, wo sie eigentlich nichts zu suchen haben. In die Stadt.
In Münchner Umland sind die Wildschwein-Bestände in den vergangenen Jahren stark gewachsen (siehe Kasten). In der Stadtverwaltung sieht man die Problematik dennoch gelassen. Die dichte Bebauung, der ganze Beton und Asphalt – „das wirkt eigentlich wie ein Sperrriegel“, sagt Manfred Thalhammer, der Leiter der Münchner Jagdbehörde.
Acht Stadtjäger haben die Lizenz zum Wildschweintöten
Sollte sich eine Schweinerotte in München verlaufen, „dann wird sofort bejagt“, kündigt Thalhammer an. Wildschweine seien gefährlich, deshalb beschäftigt die Stadt auch acht so genannte Stadtjäger – und von denen hat jeder die Lizenz zum Wildschweintöten.
Im professionellen Bejagen sieht der Bayerische Jagdverband (BJV) auch die einzige Chance, die Bestände zu regulieren. Wildschweine seien klug, „wenn die in einem städtischen Gebiet merken, dass sie dort nicht bejagt werden, breiten sie sich da natürlich aus“, sagt der BJV-Schwarzwildexperte Max Peter Graf von Montgelas.
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In München sei die Gefahr für einen Wildschein-Einfall freilich deutlich geringer als etwa in Berlin, so Montgelas. In der Bundeshauptstadt ziehen sich Grünflächen bis weit in den Stadtkern. Dort kommt es deshalb öfter zu unverhofften Begegnungen zwischen Mensch und Tier. In München dagegen: Die Isarauen zu steinig, die Viertel zu dicht besiedelt – da eignet sich allenfalls der Waldfriedhof für einen weiteren Vormarsch.
In ganz Europa breiten sich die Wildschweine seit ein paar Jahren wieder aus. Das liegt an den milden Temperaturen. Strenge Winter, in denen sich die Bestände von selbst regulieren würden, gibt es nicht mehr. Durch den zunehmenden Maisanbau und die Aufforstung von Wäldern mit Buchen und Eichen ist der Esstisch für die Wildschweine zudem reich gedeckt. Die Tiere richten bei ihren Beutezügen teilweise erhebliche Schäden an. Rund um Würzburg beklagen sich die Landwirte derzeit am meisten. Auf den dortigen Äckern wurden zuletzt Wildschweinrotten mit mehr als 40 Tieren gesichtet. So etwas habe es zuvor noch nie gegeben, heißt es in Unterfranken. „Die Tiere sind gut genährt“, sagt Montgelas. Deshalb werden sie auch früher geschlechtsreif und zeugen auch früher Nachwuchs – mitunter sogar mehrmals im Jahr.