Tierbabys als Ware: Das wurde aus den Münchner Kofferraum-Welpen

Im vergangenen Sommer machte illegaler Welpenhandel immer wieder Schlagzeilen: Aus dem Italienurlaub etwa hatte ein kriminelles Pärchen sechs kleine Hunde mitgebracht und auf Ebay inseriert - der erste Fall von vielen. Was das Paar nicht wusste, als es sich mit einer "Käuferin" traf: Es war ein Scheinkauf. Ein Kamerateam war mit dabei - und wenig später die Polizei. Die AZ hat nachrecherchiert: So geht’s den Welpen heute.
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Die Anzeige (links) auf Ebay und die sichergestellten Hunde.
Melanie S. Die Anzeige (links) auf Ebay und die sichergestellten Hunde.

München - Es sind Details, die die Münchner Tierschützerin Melanie S. (26) auf die richtige Spur führen. Auf Ebay sieht sie ein Inserat: Sechs wenige Wochen alte Welpen werden angeboten. Das Deutsch der Anzeige ist fehlerhaft, der Hof im Hintergrund verdreckt, das Fell der Tiere verfilzt.

Melanie zögert keine Minute: Sie greift zum Telefon und verabredet sich mit dem Händler, der mit seiner Freundin im Münchner Osten wohnt. Melanie gibt Kaufinteresse vor - und alarmiert ein Kamerateam, den Tierschutz und die Polizei.

Kranke Hundebabies mit Parasiten

Vor Ort bestätigt sich ihr Verdacht: Keins der Tiere ist geimpft. Gehalten werden die Hundebabies draußen im Garten. Alle Welpen haben Parasiten. In einem Kofferraum hat das Paar die verängstigten Tiere über die deutsch-italienische Grenze eingeschleust. "Das Paar hat behauptet, die Hunde gefunden zu haben", sagt Melanie S. "Aber mein Eindruck war, dass es ihnen nur ums Geld ging." Rund 1.500 Euro hätten sie an den sechs Welpen verdient - "schnelles Geld", Melanie schnaubt wütend.

Die Anzeige (links) auf Ebay und die sichergestellten Hunde.
Die Anzeige (links) auf Ebay und die sichergestellten Hunde. © Melanie S.

Noch am selben Nachmittag werden die Welpen beschlagnahmt und ins Tierheim München gebracht. Als die beiden Täter hören, dass die Hunde nun in eine sechswöchige Tollwut-Quarantäne müssen, und sie dies 30 Euro pro Tier und Tag kosten würde, unterschreiben sie ohne Zögern eine Abtrittserklärung an den Tierschutzverein.

Hohe Geldstrafen wegen illegaler Einfuhr der Welpen

Ein Betrugsverfahren gegen das Paar wird später eingestellt werden: Die Frau verweigert die Aussage, der Mann ist von den Behörden nicht unter seiner Meldeanschrift anzutreffen. Hohe Geldstrafen für die illegale Einfuhr bekommen sie dennoch. Nach dem Zustand "ihrer" Tierbabies fragen sie nach der Beschlagnahmung kein einziges Mal. Der Fall geht durch die Medien - auch, weil er der erste einer Serie von illegalen Tiereinfuhren ist, die im Münchner Tierheim in der Quarantäne landen.

Manchmal steckt die Welpenmafia dahinter, die Kampfhundwelpen in Deutschland zu Geld machen will. Manchmal kaufen unwissende Urlauber billige Hunde im Ausland - die oft aus Vermehrerfabriken stammen, Krankheiten und Defekte aufweisen und nicht selten bald eingehen. Manchmal, so wie bei den italienischen Kofferraumwelpen, wird auch einfach Tierleid zu Geld gemacht.

Start ins neue Leben

Ende September dann ist es so weit: Die Flöhe sind weg, alle Impfungen nachgeholt. Ein Hundebaby hinkt noch, doch einen bleibenden Schaden hat keiner zurückbehalten. Wie geht es ihnen heute?

Holly

Das erste Hündchen, das ein neues Leben beginnen kann, hat im Tierheim den Namen "Caramella" - wegen der karamellfarbenen Flecken. Sie lebt jetzt an einem bayerischen See. Das Kommando "Sitz" versteht sie gleich in der ersten Tagen - weil es dafür immer den Fressnapf gibt. Sie hört - manchmal - auf ihren neuen Namen "Holly", nach Holly Golightly aus "Frühstück bei Tiffany’s". Ihre Welpengruppe mischt sie mit ungestümer Fröhlichkeit auf, und hat dort in Retrieverbaby "Sunny" eine Spielpartnerin gefunden.

Pepper

Die weiße Crema ist der zweite Hund, der neue Besitzer findet - eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Sie nennen sie "Pepper". Zehn Tage nach Einzug entwischt sie ihnen allerdings. Noch vertraut sie Menschen nicht genug, und niemand kann sie einfangen. Such-Aufrufe durch "Tasso" und in den sozialen Medien bleiben erfolglos. Sie wird tot auf einer Münchner Schnellstraße gefunden. Die Pflegerinnen im Tierheim trauern um den zurückhaltende Welpen, die nie in einem besseren Leben ankommen durfte.

Lotte

Aus der braungrau melierten Hündin Giotto wird Ende September die kleine "Lotte". Lotte wohnt bei einem Paar mittleren Alters im Münchner Osten. Ihr Besitzer arbeitet mit Pferden und hat den Familienzuwachs immer im Job mit dabei. Lotte ist "sehr brav", meinen ihre neuen Halter. Noch mag sie Frauen lieber als Männer - vielleicht schlechte Erinnerungen aus der Vergangenheit? Mit der Hundeschule lässt sich Lotte noch ein wenig Zeit.

Cookie

Die fuchsrote Cookie hat ihren Namen behalten. Sie wohnt heute bei einer Familie mit drei Kindern und zwei anderen Hunden am Münchner Stadtrand. Sie ist ein "lustiger Frechdachs" und kann schon richtig viele Tricks, berichtet ihr Frauchen. Ansonsten sei Cookie ein sehr "mitteilungsbedürftiger" Hund, der "selbst das Herunterfallen eines Blattes mit Bellen kommentiert", sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Raffi

Ganz anders Raffaello, der jetzt "Raffi" heißt: Er ist der sanfte Softie unter den Tiergeschwistern. Raffi lebt bei einer italienischen Patchworkfamilie im Münchner Umland. Er sei "sehr verschmust" und spielt am liebsten mit der achtjährigen Tochter, der er seine Laufleine beim Bällchenwerfen aber auch mal ungestüm um die Beine wickeln kann. Mit der Erziehung ist er noch nicht so weit - aber "Sitz" kann er schon. Jedenfalls fast.

Macchiato

Der letzte, der aus dem Tierheim ausziehen durfte, ist der pechschwarze Macchiato (der seinen Namen ebenfalls behalten hat). Er lebt bei einem jungen Paar. Anders als Cookie bellt Macchiato fast nie. Wegen der Ohrenstellung und den am Kopf glatt anliegenden Haaren finden die beiden Hundehalter, dass er ein wenig aussieht wie ein "verrückter Professor". Wenn sie das vorher schon gewusst hätten, hätten sie ihn "Einstein" genannt". Sie planen den Besuch einer Welpenschule - aber erst ein bisschen später, weil er noch ein bisschen Angst vor anderen Hunden hat.

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