Ticket-Wirrwarr: Studentenwerk schreibt Brandbrief

Im Streit um die Fortführung des Semestertickest scheinen die Fronten verhärtet. Das Studentenwerk hat nun in einem offenen Brief an Kultusminister Spaenle um eine Schlichtung des Streits gebeten und davor gewarnt, aus Profitgier die Preise unnötig zu erhöhen.
von  az
Heute will der MVV erstmals konkrete Zahlen vorlegen. Dass das Ticket teurer wird, scheint klar. Die Frage ist nur um wie viel.
Heute will der MVV erstmals konkrete Zahlen vorlegen. Dass das Ticket teurer wird, scheint klar. Die Frage ist nur um wie viel. © az

München - Die Münchner Studenten müssen sich auf eine saftige Erhöhung der Preise für ihr Semesterticket einstellen. So zumindest scheint die aktuelle Stoßrichtung von MVV und MVG zu sein. Doch unter der Oberfläche brodelt es allem Anschein nach ordentlich. Denn das Studentenwerk hat sich nun in einem öffentlichen Brandbrief an seinen obersten Dienstherren, Kultusminister Ludwig Spaenle, gewandt.

Was ist passiert?

Das Semesterticket wurde zum Wintersemester 2013/14 zunächst als Pilotprojekt eingeführt. Alle Studenten zahlen mit Semesterbeginn automatisch einen Solidarbeitrag von derzeit 62,50 Euro. Dafür können sie am Wochenende sowie von 18 Uhr bis 6 Uhr des Folgetags im gesamten MVV-Gebiet sechs Monate lang fahren. Für zusätzliche 157,60 Euro pro Semester können sie jederzeit ohne Einschränkungen fahren.

Doch das Projekt läuft nun aus - und die Verkehrsbetriebe streiten sich mit der Studierendenvertretung um die Beibehaltung des Konzepts. Allerdings kursieren unter den Parteien verschiedene Studien zum Mobilitätsverhalten der Münchner Studenten. Und genau da fängt das Problem an:

Der MVV "hat deutliche Zweifel an der Validität dieser Studie bzw. deren Ergebnissen geäußert und hat deshalb ein externes Fachgutachten bei einem Marktforschungsverbandsexperten des Berufsverbandes Deutscher Markt- und Sozialforscher e. V. (BVM) in Auftrag gegeben, das mittlerweile ebenfalls dem MVV und den am Semesterticket beteiligten Verkehrsunternehmen vorliegt", heißt es in dem Brief.

Die MVV glaubt also der ersten, originären Studie nicht, und lässt die Studie nun in einer Studie überprüfen.

 

Glaube keiner Studie, die du nicht selber in Auftrag gegeben hast

 

Das Studentenwerk vermutet, dass in der Studie heraus kam, dass der Preis für das Ticket einigermaßen in Ordnung sei, eine Erhöhung - wie sie MVG und MVV fordern - wahrscheinlich nicht oder nur geringfügig erforderlich ist. Hinzu kommt wohl, dass MVV und MVG untereinander auch in einigen Punkten verschiedene Standpunkte vertreten ("Uneinigkeit der Verkehrsunternehmen mit ihrem Konsortialführer, dem MVV").

Das alles macht es für die Vertreter der Studenten nicht leicht. Außerdem ist ihnen weder das eine noch das andere Gutachten vorgelegt worden, sie wüssten also gar keine Zahlen. Und mit deutlichen Worten spricht das Studentenwerk dann aus, was viele Studenten heimlich sowieso glauben: "Wir empfinden es als eine Ungerechtigkeit, dass das Semesterticket trotz traumhafter Kaufquoten von 75 Prozent im Wintersemester (Stand: 31.01.16) überhaupt zur Disposition steht und offensichtlich versucht wird, mit den Einnahmen aus diesem Erfolgsmodell die Löcher in der Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs zu stopfen, die völlig andere Ursachen haben dürften".

 

100 000 Studenten nehmen das Ticket

 

Die MVG bestätigt, dass das Modell bisher ein Erfolg ist, auch die Kaufquote von 75 Prozent dürfte hinkommen. Verschärft wird das Ganze dadurch, dass sich Studenten darauf verlassen können müssen, mit ihrer Rückmeldung beziehungsweise Einschreibung zum nächsten Wintersemester ein Semesterticket zu haben. Und zwar eins, das bezahlbar ist.

"Aus Sicht des Studentenwerks München wäre es ein Unding, wenn das Semesterticket zum Wintersemester 2016/2017 nicht weitergeführt werden könnte, nur weil sich die Verkehrsunternehmen nicht auf einen angemessenen Preis einigen können [...]. Es wäre ein Skandal, wenn es in der Landeshauptstadt [...] ab dem Wintersemester für die 100.000 daran interessierten Studierenden kein Semesterticket mehr geben würde. Alle großen Hochschulstandorte anderer Bundesländer bieten ein Semesterticket ganz selbstverständlich [...] an."

Die Fronten also scheinen verhärtet, vor allem auch, weil sich nicht nur Studenten von den Verkehrsanbietern gegängelt fühlen. Das Münchner System ist kompliziert, viele Städte (die deutlich größer sind) haben einfachere Angebote. Besonders häufig wird die Stadt auf das Wiener Modell angesprochen - dort kostet eine Jahreskarte 365 Euro. Also einen Euro pro Tag, wenn man täglich fährt.

Nicht nur für Studenten wäre das ein faires Modell. Es bleibt noch ein wenig Zeit, sich zu einigen.

Genau das wünscht sich auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er appelliert an die Konfliktparteien: "Das Semesterticket ist eine wichtige Errungenschaft im öffentlichen Nahverkehr. Ich fordere den MVV und die Verkehrsunternehmen auf, sich nun zeitnah zu einigen und den Studenten einen abgestimmten und akzeptablen Preisvorschlag für das künftige Semesterticket zu machen."

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