Ticket-Irrsinn für Adele in München – Konzertexperte: "Haben die Veranstalter deutlich unterschätzt"
München - München steht ein Mega-Sommer bevor: Die EM, Stars wie Coldplay und Taylor Swift kommen noch, AC/DC und Metallica waren für Doppelkonzerte schon da. Und dann ist da ja auch noch Adele mit zehn exklusiven Europa-Konzerten, die über den ganzen August verteilt in einer eigens aufgebauten Pop-Up-Arena an der Messe Riem spielen wird.
800.000 Tickets für Adele in München: Noch lange nicht verkauft
Die Freude war groß, als die Veranstaltungen angekündigt wurden. Doch nach und nach machte sich Ernüchterung breit: Erst ein kompliziertes Verfahren, um überhaupt die Chance zu haben, an eines der 800.000 Tickets zu kommen. Dann die astronomischen Preise – 420 Euro müssen Fans ausgeben, um nah an der Bühne zu stehen und die Sängerin richtig sehen zu können – und nun kriegt Adele die Tickets nicht los. Geht man auf die Verkaufsplattformen Ticketmaster oder Eventim, findet man ganze leere Reihen. Haben die Veranstalter und Adele die Nachfrage überschätzt? Liegt es an den hohen Preisen?
Für Konzertexperte Berthold Seliger, der auch selbst Veranstalter ist und zum Beispiel Deutschland-Touren von Patti Smith plant, ist die Sache klar. Er sagt der AZ: "Adele ist sicher ein Star – aber kein Superstar! Sie hat bisher nicht in Stadien gespielt und es ist zweifelhaft, ob sie die 800.000 Tickets verkaufen kann, auf die in München gepokert wird."
Die Realität zeige jetzt, dass es damit jetzt Probleme. "Die Leute sagen anscheinend auch: 420 Euro ist uns Adele nicht wert", so Seliger.

420 Euro für Stehplätze bei Adele in München: Spitze des Ticketwahnsinns erreicht? "Noch lange nicht"
Ist damit der Wahnsinn, dass Tickets für Konzerte immer teurer werden, gestoppt? "Nein, noch lange nicht! Es gibt Superstars, die nach wie vor beliebig hohe Preise verlangen können." Dazu gehören nach Einschätzung des Experten, der im Münchner Umland aufgewachsen ist, Taylor Swift, Bruce Springsteen oder Beyoncé. Bei anderen – wie offenbar auch Adele – "schauen die Leute generell genauer hin, wofür sie etwas bezahlen und wofür nicht – und sagen: Bei manchen Künstlern ist es eine Mogelpackung, wenn so viel Geld aufgerufen wird".
Anfang August startet Adele ihren Konzert-Marathon in München – vor teils leeren Reihen? Für Berthold Seliger steht fest: "Es ist eine heikle Sache. Eine deutlich sechsstellige Zahl an Menschen hat die hohen Ticketpreise schon bezahlt – wenn nun öffentlich deutlich geringere Preise aufgerufen werden für die restlichen freien Plätze, dann fühlen sich die, die mehr bezahlt haben, natürlich verarscht und kommen nicht wieder."
Die teuersten Tickets für Adele kosten 1252,50 Euro
Einen weiteren Grund, warum die Tickets auch eineinhalb Monate vor Start der Konzertreihe noch nicht ausverkauft sind, sieht Seliger darin: "Das alles ist nicht für den Münchner Markt entworfen, sondern für den deutschen und europäischen. In München kann man vielleicht 100.000 Tickets verkaufen. Das heißt, die meisten Fans haben nicht nur die hohen Ticketpreise, sondern müssen auch die Anfahrt bezahlen und die Hotels." Aus einem Ticket für Hunderte Euro werden da schnell 1000 Euro.
Und bei manchen Tickets sogar noch mehr: Die günstigsten Karten gab es für die Auftritte für 75 Euro, für das "Premium GA F&B Package" müssen Fans 1252,50 Euro hinblättern und bekommen dafür einen Stehplatz vor der Bühne, früheren Zugang in die Arena und eine Einladung in die Lounge vor der Show (mit Welcome Drink, Catering, einem Adele VIP-Geschenk, eine limitierte Edition eines Adele VIP Geschenks sowie offizielle Adele VIP Laminate und Pass). Außerdem können Inhaber dieses Tickets vor der Show bereits den Merch kaufen.
"Mich wundert wirklich gar nichts mehr"
Mögliche Anreise- und Hotelkosten sind da noch nicht dabei, kommen aber für viele Fans noch obendrauf. Seliger: "Das schließt ganz viele Menschen aus, an denen die Veranstalter und die Künstlerin offensichtlich nicht interessiert sind. Selbst die wohlhabende Mittelschicht, die es sich leisten könnte, schaut sehr genau hin, was einem geboten wird und ob es das wert ist. Das Problem haben die Veranstalter deutlich unterschätzt."
Am meisten Sorgen mache ihm der Ausschluss so vieler Menschen von Live-Musik. "Wenn ich von vornherein einen nicht geringen Teil der Gesellschaft ausschließe, der es sich definitiv nicht leisten kann und sage: 'Das ist mir egal, wir wollen nur noch die Großkopferten im Konzert haben', dann ist das grundsätzlich falsch. Da stimmt irgendwas im Konzertgeschäft nicht mehr."
Dass die Ticketpreise mittlerweile diese Sphären erreicht haben, wundert den Wahl-Berliner nicht. "Mich wundert wirklich gar nichts mehr, um ehrlich zu sein. Marek Lieberberg, der Deutschland-Chef von Live Nation, hat vor Jahrzehnten, als er noch seine eigene Agentur hatte, mal gesagt, für ihn sei die Schallgrenze für Ticketpreise bei 100 Euro. Damals war es unvorstellbar, dass ein Ticket mehr kostet. Heute sind Sie bei einem Ticket für 100 Euro ja fast schon beim Billigen Jakob. Das ist verrückt, wie das durch die Decke geschossen ist."
Live Nation, der Veranstalter der Adele-Konzerte in München, wollte sich auf AZ-Anfrage nicht äußern.
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