Thomas S.: Jetzt wird er 25 Jahre eingesperrt

Im Prozess um den Mord an zwei Kraillinger Mädchen fällt das Gericht sein Urteil: Der Onkel (51) der Opfer wird zu lebenslanger Haft verurteilt – mit "besonderer Schwere der Schuld".
MÜNCHEN - Jetzt steht es fest: Der Postbote Thomas S. (51) muss für Jahrzehnte ins Gefängnis. Das Landgericht sieht es als erwiesen an, dass der Mann seine Nichten Sharon († 11) und Chiara († 8) ermordet hat – und verurteilt ihn zu lebenslanger Haft. Das Gericht folgt damit den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Außerdem stellt es die besondere Schwere der Schuld fest. Damit dürfte S. das Gefängnis in den nächsten 25 Jahren nicht verlassen.
Bevor Staatsanwalt Florian Gliwitzky am Montag plädiert, hat der Angeklagte erneut Beweisanträge gestellt: Die Polizeifotos, auf denen eine Wunde an seiner Nase zu sehen ist, die ihm eine seiner Nichten im Todeskampf zugefügt haben sollen, seien von der Polizei manipuliert: „Die angebliche Wunde hat jemand aufs Foto gemalt. Ich hatte nie eine Verletzung an der Nase.“ Auch die Mär von der gestohlenen Blutampulle hält er aufrecht: „Mir wurde in Stadelheim Blut abgenommen. Das ist verschwunden, um damit den Tatort zu manipulieren.“ Am Schluss sagt er: „Mir glaubt doch eh keiner.“
Da liegt er wohl richtig. Der Vorsitzende Richter Ralph Alt schmettert alle acht Beweisanträge ab: „Die Spuren am Tatort wurden vor Ihrer Festnahme gesichert“, sagt er. In seinem Plädoyer geht Staatsanwalt Gliwitzky dann minutiös auf die Tatplanung, Tatwaffen, Spurenlage und Motiv ein. Dabei betont er, dass man über die Einlassungen des Angeklagten „lachen möchte“, wenn der Fall nicht so ernst wäre.
Die drei Mordwerkzeuge sind ein Seil, eine Kurzhantel und ein Küchenmesser. Das Seil: Den Kassenbon dafür stellt die Polizei im Auto des Angeklagten sicher. Am 7. März 2011, also 17 Tage vor der Tat, hat Thomas S. das Seil für 3,64 Euro in einem Baumarkt gekauft. Auf dem Bon ist der Fingerabdruck des Angeklagten. Die Kurzhantel, auf der die Polizei Spuren von S. findet, stammt aus dem Haushalt des Angeklagten. Dies bestätigt sogar dessen eigener Sohn. Das Messer stammt aus der Tatwohnung. Dies nimmt Thomas S. laut den Ermittlern vom Küchentisch, als er merkt, dass sich die beiden Mädchen heftig wehren.
Sein Plan sei gewesen, dass er zunächst die kleine Chiara im Schlaf erstickt. Danach sollte Sharon sterben. Laut Staatsanwalt habe S. auch geplant, die Mutter der beiden Mädchen zu töten, damit es nach einem erweiterten Selbstmord aussehe. „Er wusste, dass sie jeden Mittwoch in der Musikkneipe Schabernack ist und gegen zwei Uhr nachts nach Hause kommt“, so der Ankläger. Nach der Tötung der Kinder habe Thomas S. seiner Schwägerin auflauern wollen. „Er hat Wasser in die Badewanne eingelassen und ein Elektrogerät neben der Badewanne in die Steckdose gesteckt“, sagt Gliwitzky. Vermutlich habe es Thomas S. nach einem Selbstmord mittels Stromschlag aussehen lassen wollen.
Das Spurenbild in der Wohnung spricht gegen ihn. Im Polizeiverhör gibt der Angeklagte an: „Ich war vor eineinhalb Jahren zuletzt bei meiner Schwägerin.“ Da die Polizei in der ganzen Tatwohnung DNA und Blutspuren findet, räumt S. später ein, dass er ein paar Tage vor der Tat in der Wohnung gewesen: „Die Schwägerin war nicht da. Als ich in der Wohnung nach ihr suchen wollte, bekam ich plötzlich Nasenbluten. Ich habe das Blut weggewischt, bevor ich die Wohnung verließ.“
Dagegen sprechen die Blutspritzer an der Wand. „Nasenbluten tropft nach untern und nicht senkrecht gegen eine Wand“, so der Staatsanwalt. Das Motiv sei laut Gliwitzky die angespannte „finanzielle Lage“ des Angeklagten gewesen. Mit seinem Hausbau in Peißenberg habe er sich übernommen.
Über 100000 Euro Schulden hat der Postbote. „Die Zwangsversteigerung stand bevor“, sagt der Staatsanwalt. Durch den Tod seiner Schwägerin und deren Kinder sei die Frau des Angeklagten Alleinerbin der elterlichen Immobilien. Für die Bank wäre dies dann eine gute Sicherheit gewesen.