Thomas Niederbühl: Ein Museum für das queere München
München - Thomas Niederbühl (59) hat als Stadtrat der Rosa Liste im Rathaus große Pläne und fordert ein queeres Museum für München.

AZ: Wie wichtig ist München für die queere Geschichte?
THOMAS NIEDERBÜHL: Unsere Stadt hat eine zentrale Bedeutung. 1867 hat Karl Heinrich Ulrichs beim Juristentag in München erstmals öffentlich die Straffreiheit gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen gefordert. Es kam zu tumultartigen Szenen. Er hatte als Betroffener gesprochen und ist schließlich nach Italien ausgewandert, wo Homosexualität straffrei war. Deshalb gibt es im Glockenbachviertel auch einen Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz. Oder denken Sie an Anita Augspurg, eine Lesbe und eine der führenden Köpfe der Frauen-Friedensbewegung.
München wurde auch durch Negativschlagzeilen bekannt.
Ja, in der Aids-Krise hat München eine ganz unrühmliche Rolle gespielt, auch das muss aufgezeigt werden.
Queere Geschichte in Münchner Museen
Wird queere Geschichte in den Münchner Museen gebührend dargestellt?
Da gab es Gott sei Dank und auch durch die Rosa Liste schon vor langem ein Umdenken. Das Forum Queeres Archiv München leistet seit über 20 Jahren Pionierarbeit mit einer eigenen Geschichtswerkstatt. Beim NS-Dokuzentrum oder auch im Stadtmuseum findet sich natürlich auch die queere Geschichte der Stadt.
Reicht das nicht?
Mir geht es darum, weg von der Verfolgung und Diskriminierung zu kommen und auch aufzuzeigen, wie viel homosexuelle Menschen für die Stadt und ihre Emanzipation getan haben. Wir müssen doppelgleisig fahren.

Wie meinen Sie das?
Gleichberechtigt repräsentiert sein in den Museen und einen eigenen Ausstellungsraum haben. Das ist ein Kern meiner Politik, ich sage: Schwule, lesbische, trans Jugendliche sollen sich in allen Jugendzentren wohlfühlen und trotzdem brauchen wir ein queeres Jugendzentrum.
Fordern kann jeder. Wie weit gediehen sind die Pläne für ein queeres Museum?
Wir sind derzeit in einer finanziell schwierigen Situation und trotzdem haben wir das in den Koalitionsvertrag eingebracht – das ist nicht nur ein Wunschdenken der Rosa Liste. Wer soll ein solches Museum machen, außer das queere Archiv?
Wie lange dauert das, meinen Sie?
In einem ersten Zwischenschritt könnten wir neue Räume für das queere Archiv zur Verfügung stellen, die platzen aus allen Nähten. Dort könnten auch kleine Ausstellungsräume sein als eine erste Keimzelle, für das, was kommen mag.

Christopher Street Day mit Christian Ude
Sie sind als erster Stadtrat einer queeren Partei bestimmt auch Teil der Ausstellung eines queeren München Museums. Was soll von Ihnen ausgestellt werden?
Oh Gott, ich möchte da nicht in den Fokus. Ich spotte immer, dass ich meinen ganzen Krempel mal dem queeren Archiv vermache und die müssen dann schauen, was sie davon brauchen können.
Und was können die dann gebrauchen?
Als ich 1996 in den Stadtrat eingezogen bin, ist beim Christopher Street Day ein Foto von mir und OB Christian Ude auf dem Rathausbalkon entstanden, mit der Stadtratskette. Das war ein erhabener Moment.
Wenn das queere Museum eröffnet wird, wird das sicher ein weiterer erhabener Moment.
Ach, wenn ich weiter träumen darf, würde ich mir wünschen, dass wir ein queeres Kulturhaus bekommen – mit dem Museum, aber auch Räumen für Vereine und Initiativen. Träumen ist ja immer erlaubt.
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