Thomas Böhle zu Freischankzeiten: Wir sind jetzt an der Grenze

KVR-Chef Thomas Böhle schließt im Interview mit der AZ aus, dass die Freischank-Zeiten weiter verlängert werden – und erklärt, warum er die Regeln bereits für liberal hält.
Interview: Felix Müller |
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Hier gibt es oft Ärger zwischen Wirten und Anwohner: der St.-Anna-Platz im Lehel.
Sigi Müller Hier gibt es oft Ärger zwischen Wirten und Anwohner: der St.-Anna-Platz im Lehel.

München - Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) will für eine liberale Linie im öffentlichen Raum stehen. Gerade im Sommer kommt es aber zu viel Ärger zwischen Wirten, Gästen und Nachbarn – die heuer sogar noch zunehmen könnten, weil durch sogenannte Sommerstraßen (zum Beispiel im Westend und in Giesing) Parkplätze weggenommen und mehr Sitzflächen an den Straßen geschaffen werden.

Der SPD-Politiker Thomas Böhle leitet seit 2016 als Nachfolger von Wilfried Blume-Beyerle das Kreisverwaltungsreferat. In der AZ spricht er über seine Linie.

AZ: Herr Böhle, Sommerstraßen sollen für die Menschen da sein. Aber die Wirte sehen sich genötigt, streng zu wachen, ob jemand mit einem Glas Bier in der Hand ein Bein jenseits der weißen Pünktchen auf dem Gehsteig hat. Passt das zum Leben und leben lassen, für das das KVR stehen will?
THOMAS BÖHLE: Der Kern des schönen Grundsatzes "Leben und leben lassen" ist doch, dass man aufeinander Rücksicht nimmt. Ein Stadtviertel ist dann lebendig, wenn sich Kneipen und Wohngebäude mischen. Aber genau dann ist auch Respekt vor der Wohnbevölkerung gefragt. Die Stadt ist bei der Außengastronomie in den vergangenen Jahren deutlich liberaler geworden, hat dabei aber auch immer die Anwohnerinnen und Anwohner im Blick behalten. Dazu gehört natürlich, dass die genehmigten Freischankflächen und Ruhezeiten einzuhalten sind. Das wird auch künftig so sein.

Böhle: "Beschwerden halten sich in Grenzen"

Gefühlt wird die Gastronomie in München auch heute noch viel mehr gegängelt als in anderen Großstädten. Warum ist das nötig?
Mein Eindruck ist ein völlig anderer. Von Gängelung kann keine Rede sein. Dass wir als Ordnungsbehörde natürlich – auch im Sinne eines fairen Wettbewerbs – auf das Einhalten der gültigen Regeln pochen, ist unsere Pflicht. Aber gerade bei diesen Regeln wurde die Gastronomie sehr unterstützt, etwa mit verlängerten Öffnungszeiten und mehr Platz.

Freitags und samstags bis Mitternacht draußen sitzen: Hat sich die neue Regelung bewährt?
Aus unserer Sicht: ja. In Anbetracht der etwa 2.400 Freischankflächen im Stadtgebiet halten sich die Beschwerden in Grenzen. Im ganzen vergangenen Jahr 2018 waren es zusammengenommen gut 300 Beschwerden über Lärm aus der Freiluftgastronomie – übers gesamte Jahr, in der ganzen Stadt. Alle betroffenen Gastwirte werden nach Eingang einer Beschwerde kontaktiert und ermahnt. In den zurückliegenden Jahren kam es nur in zwei Fällen zu Betriebszeitverkürzungen in Verbindung mit Beschwerden über die Freiluftgastronomie.

Hier gibt es oft Ärger zwischen Wirten und Anwohner: der St.-Anna-Platz im Lehel.
Hier gibt es oft Ärger zwischen Wirten und Anwohner: der St.-Anna-Platz im Lehel. © Sigi Müller

Können Sie sich vorstellen, in Ihrer Amtszeit diese Regelung noch auszuweiten – auf mehr Wochentage oder auf nach Mitternacht? Woran hakt es noch?
Mit den aktuellen Regeln dürften wir an einer Grenze angelangt sein, die wir zunächst nicht weiter verschieben sollten. Das Ruhebedürfnis der Anwohnerinnen und Anwohner ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. In einzelnen Fällen haben wir sowieso schon längere Freischankzeiten. Immer dann, wenn nichts dagegen spricht, weil keine Wohnbevölkerung vor nächtlichem Lärm geschützt werden muss, kann das beantragt und nach erfolgreicher Prüfung genehmigt werden – zum Beispiel am Sendlinger Tor, an Sonnenstraße und Schwanthalerstraße oder auch an der Leopoldstraße zwischen Siegestor und Münchner Freiheit. Dort kann man auch noch sehr spät draußen sitzen.

Böhle: Das steckt hinter dem Projekt AKIM

In welchen Stadtteilen oder Straßen gibt es besonders viele Beschwerden?
Die größte Reibung entsteht, wo Wohnen und Feiern nah beieinander sind – im Gärtnerplatzviertel ist das so.

Wie reagiert das KVR darauf?
Die Landeshauptstadt hat das im Blick und reagiert darauf – zum Beispiel mit dem Projekt AKIM, das steht für allparteiliches Konfliktmanagement in München. Im Einzelfall gehören dazu aber auch einschränkende Maßnahmen, zum Beispiel das Verkürzen von Betriebszeiten. Viele Münchner erinnern sich noch gut an die Biergartenrevolution 1995.

Wie steht es um diese Regeln? Können Sie sich vorstellen, dass Biergärten (noch) länger öffnen dürfen?
Wir haben hier über die Jahre ein Miteinander erreicht, das allen Interessenlagen weitgehend gerecht wird – unter Abwägung aller noch so gegenläufiger Standpunkte. Das gilt für die Freischankflächen auf den Gehwegen genauso wie für Biergärten. Ich denke, wir sollten es dabei belassen. Im Einzelfall sind bei der Außengastronomie ja auch jetzt schon Ausnahmen möglich, wenn es die Gegebenheiten zulassen.

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