Thementag im Bayerischen Landtag - Depressive Schüler: Nach wie vor kaum Aufklärung

Im Landtag rücken psychische Krankheiten in den Fokus. Doch trotz einer Petition – an den Schulen hat sich nichts geändert, kritisieren Schüler und Fachleute.
von  Nina Job
Landtagspräsidentin Ilse Aigner mit dem Offenen Brief von Colin Maidment (v.l.), Luca Zug und Alexander Spöri.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner mit dem Offenen Brief von Colin Maidment (v.l.), Luca Zug und Alexander Spöri. © Daniel von Loeper

München - Im Kreuzgang des Maximilianeums sind in diesen Tagen großformatige Fotos der bekannten Fotografin und Dokumentarfilmerin Herlinde Koelbl (79) ausgestellt. Sie hat mit ihrer Kamera Menschen mit psychischen Erkrankungen porträtiert – ein Kunstprojekt, das von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie gefördert wird.

Teresa Enke spricht über die Erkrankung ihres Mannes Robert

Am Dienstag fand im Bayerischen Landtag zudem ein Thementag "Psychische Erkrankungen im Blick" ein. Zu einer Podiumsdiskussion war auch Teresa Enke, Witwe des deutschen Fußball-Nationaltorwarts Robert Enke, angereist. Ihr Mann, der an einer schweren Depression erkrankt war, hatte sich am 10. November 2009 das Leben genommen*. Eine nach ihm benannte Stiftung unterstützt heute Projekte, Maßnahmen und Einrichtungen, die über Herzkrankheiten von Kindern sowie Depressionskrankheiten aufklären und deren Erforschung oder Behandlung dienen.

Die Krankheit Depression ist in den vergangenen Jahren mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Dass sie auch schon Kinder und Jugendliche treffen kann, sei an Schulen aber so gut wie nie Thema, kritisieren die jungen Münchner Filmemacher von MovieJam Studios, die den Film über Jugenddepressionen "Grau ist keine Farbe" gedreht haben.

Depressionen: Kaum Hilfsangebote an den Schule

Auch konkrete Hilfsangebote an Schulen gebe es kaum. Drei der Filmemacher, Colin Maidment, Alexander Spöri und Luca Zug, überreichten Landtagspräsidentin Ilse Aigner am Dienstag in der Ausstellung im Maximilianeum einen Offenen Brief. Darin heißt es: "Auf Zeichen muss Handeln folgen." Und: "Viel zu oft wird vergessen, dass Aufklärungsarbeit über psychische Krankheiten auch Prävention für Suizide bedeutet. Wir wollen diese jungen Menschen retten."

Anfang des Jahres hatten die Schüler, die damals kurz vor dem Abitur standen, im Rahmen ihres Filmprojekts eine Petition eingereicht. Mit Erfolg. Das Kultusministerium veröffentlichte daraufhin einen Zehn-Punkte-Plan und versprach mehr Aufklärung. Doch mit dem nun vorliegenden Zwischenbericht sind die Initiatoren sehr unzufrieden.

Seit der Petition "so gut wie nichts" passiert

"Keine der vor einem halben Jahr geplanten Initiativen wurde umgesetzt oder überhaupt begonnen", sagt Spöri. Er kritisiert, dass das Ministerium erst im Juli 2020 wieder Bericht erstatten wolle. "Das klingt für uns wie ein Aufschub, ohne die Dinge konkret anzupacken."

Auch der bildungspolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Max Deisenhofer, kritisierte, dass seit der Petition "so gut wie nichts" passiert sei. Der Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker rief die Staatsregierung dazu auf, die Umsetzung des Plans nicht weiter zu verzögern.

Ilse Aigner sagte am Dienstag zu den Filmemachern: "Ich gebe das Anliegen an den Kultusminister weiter."


Anmerkung der Redaktion: In der Regel berichtet die AZ nicht über Selbsttötungen. Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie kostenlos und rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge: Telefon: 0800–1110111 und Telefon: 0800–1110222.

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