Teuer bezahlter Spielplatz
Die Wirtschaftsleistung Münchens ist gut wie nie – und alle wollen davon profitieren. Das hat kostspielige Folgen für das Leben in der Stadt.
Dieses Büro im sechsten Stock des Referats für Arbeit und Wirtschaft wird
Josef Schmid gar nicht erst beziehen. Er ist die vergangenen acht Jahre zwischen zwei Schreibtischen hin- und hergependelt, dem in seiner Kanzlei und dem bei der CSU-Stadtratsfraktion. Nun hat er wieder eine Doppelfunktion, ist nicht nur Zweiter Bürgermeister, sondern seit drei Tagen auch Wirtschaftsreferent. Aber dieses Wechselspiel will er nicht mehr länger betreiben. Schmid will beide Jobs künftig alleine von seinem Bürgermeisterbüro aus erledigen.
Um die wichtigsten Wirtschaftsdaten des vergangenen Jahres vorzustellen, hat Schmid dann gestern aber doch in sein Büro im Wirtschaftsreferat geladen – wegen der phänomenalen Aussicht, wie Schmid sagt. Vielleicht aber auch wegen der symbolischen Wirkung. Denn genauso wie man von dort oben den Turm der Allerheiligenkirche, den Alte Peter und das Rathaus aus der Stadtlandschaft herausragen sieht, so überragen auch die Münchner Wirtschaftszahlen mal wieder fast alles, was andere deutsche Großstädte an Wirtschaftsleistung zu bieten haben.
Im Schnitt hat jeder Münchner vergangenes Jahr 27 645 Euro netto verdient – etwa 3000 mehr als ein Durchschnittsverdiener aus Frankfurt am Main oder Düsseldorf. Insgesamt liegt die
Kaufkraft der Münchner damit um 32 Prozent höher als in Rest-Deutschland – was schon eine erstaunliche Zahl ist, wenn man sich vorstellt, dass sich ein Münchner also ein Auto leisten kann, das ein Drittel teurer ist als das des deutschen Durschnittsbürgers.
Wer gut verdient, zahlt natürlich auch entsprechend viel Steuer. Folglich sind im vergangenen Jahr die Einkommenssteuereinnahmen auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Satte 889 Millionen Euro hat die Einkommenssteuer der Stadt 2013 in die Kassen gespült (2012: 823). Die
Gewerbesteuer brachte weitere 2,27 Milliarden Euro ein – ebenfalls so viel wie noch nie. Dieses Geld nutze Kämmerer Ernst Wolowicz 2013 dazu, den Schuldenstand der Stadt zu reduzieren. Dieser bewegt sich nun erstmals seit 1986 wieder unter der 1-Milliarden-Euro-Marke.
Insgesamt flossen vergangenes Jahr 5,7 Milliarden Euro in den städtischen Haushalt, elf Prozent mehr als im Jahr zuvor – und dieser Trend setzt sich auch heuer fort. Bislang nimmt die Stadt deutlich mehr ein, als es die Kämmerei eingeplant hat. Angesichts von 3,9 Milliarden Euro, die die Stadt zwischen 2013 und 2017 investieren will – etwa in die Rettung des Klinikums, den Ausbau der
Kinderbetreuung und die Fortführung der U5 nach Pasing – wird dieses Geld auch dringend benötigt. Was das
Investitionsvolumen betrifft, nimmt München im Vergleich mit anderen Städten jedenfalls weiter einen Spitzenplatz ein.
Ohnehin: Die bayerische Landeshauptstadt ist in vielen wirtschaftlichen Bereichen spitze. In verschiedenen Städte-Rankings landete München 2013 auf Platz eins: Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Dynamik durch das Forschungsinstitut IW Consult, beim Prognos-Zukunftatlas, beim Städtevergleich durch das Urban Land Institute – nur das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut sah Frankfurt am Main noch ein bisschen weiter vorne.
Aber auch, wenn sich München mal mit dem zweiten Platz begnügen muss: Die Bedingungen, die Schmid bei seinem Amtsantritt als Wirtschaftsreferent nun vorfindet, könnten durchaus schlechter sein. Was Schmid noch besonders wichtig ist: In München sind vergangenes Jahr über 20 000 neue Arbeitsplätze entstanden, fast ausschließlich im Dienstleistungsbereich. Dass die Arbeitslosenquote trotzdem geringfügig auf 4,8 Prozent gestiegen ist, liegt daran, dass die Stadtbevölkerung noch schneller gewachsen ist als der Arbeitsmarkt. „Es gibt mehr Stellen, aber noch mehr Menschen, die hierher ziehen“, erklärte Schmid.
Dass München als Wohnort so beliebt ist, hat nur eine negative Auswirkung: Die Mieten sind vergangenes Jahr erneut in die Höhe geschnellt. Bei Erstbezug einer gut gelegenen Wohnung musste man im vergangenen Jahr pro Quadratmeter 15,40 Euro an Kaltmiete zahlen. Das ist fast ein Euro mehr als 2012.
Die Stadt muss also einiges an Anstrengung unternehmen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Tatsächlich sind dafür auch 800 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre vorgesehen. Und theoretisch gäbe es da ja auch noch das leerstehende Büro von Josef Schmid im Wirtschaftsreferat, das man untervermieten könnte, mit Blick über die gesamte Altstadt.
Aber vermutlich wird die Behörde dafür doch eine andere Nutzung finden.
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