Terrorgefahr in München und in Bayern hoch: "Täter, die weiche Ziele mit einfachen Tatmitteln angreifen"

München - Der terroristische Angriff der Hamas in Israel und die israelische Offensive im Gazastreifen haben die Terrorgefahr in Deutschland nach Einschätzung des Verfassungsschutzes erheblich erhöht.
Das gelte insbesondere auch für den Freistaat und die Landeshauptstadt München, sagte Burkhard Körner, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz der AZ: "Die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten sind geeignet, die Sicherheitslage weiter zu verschärfen. Insbesondere gehen nach hiesiger Einschätzung erhöhte Gefahren von emotionalisierten Einzelpersonen aus."
Verfassungsschutz: "Sind mit einer komplexen und angespannten Bedrohungslage konfrontiert"
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz habe bereits unmittelbar nach dem Terrorangriff der Hamas eine Sonderarbeitsgruppe eingerichtet, die im engen Austausch mit anderen Sicherheitsbehörden stehe.

Körner: "Besonderer Fokus liegt auf dem Schutz jüdischer Bürgerinnen und Bürger sowie israelischer und jüdischer Einrichtungen."
Das Bundesamt für Verfassungsschutz veröffentlichte am Mittwoch eine aktuelle Einschätzung der Lage. "Wir sind aktuell durch parallele Krisen mit einer komplexen und angespannten Bedrohungslage konfrontiert, die durch die barbarischen Verbrechen der Hamas noch verstärkt wird", wird dessen Präsident Thomas Haldenwang in der Mitteilung zitiert.
Verfassungsschutz in Bayern nimmt "Scharfmacher und Mobilisierungstreiber" wahr
Haldenwang sieht unter anderem das Risiko einer Radikalisierung von allein handelnden Tätern, die sogenannte weiche Ziele mit einfachen Tatmitteln angreifen: "Die Gefahr ist real und so hoch wie seit langem nicht mehr."
Als "Scharfmacher und Mobilisierungstreiber" in der aktuellen Lage sieht der Verfassungsschutz neben Islamisten auch palästinensische Extremisten, türkische Rechtsextremisten sowie deutsche und türkische Linksextremisten. Die Mehrheit der Teilnehmer propalästinensischer Demonstrationen seien zwar keine Extremisten. Es gelinge Extremisten aber immer wieder, bei solchen Veranstaltungen Hassbotschaften zu verbreiten und für eine Eskalation zu sorgen.
Deutsche Rechtsextremisten nutzten die Situation ihrerseits zur Agitation gegen Muslime und Migranten. Unter deutschen Linksextremisten würden teils proisraelische, teils propalästinensische Positionen vertreten. "Wir teilen diese Auffassung", heißt es beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz dazu.
Bayerns Innenminister Herrmann: "Radikalisierte Einzeltäter oder zielgerichtet eingeschleuste Gruppen"
"Verschärft wird die Situation durch ausländische staatliche Akteure, die diese Stimmungslage für sich ausnutzen oder gar zu verstärken suchen", sagte Haldenwang. Konkrete Staaten nennt er nicht. Es geht hier wohl in erster Linie um Propaganda und um eine Verstärkung von Stimmungen, die für Unruhe in der Gesellschaft sorgen.
"Die Bedrohungslage ist nach wie vor da. Radikalisierte Einzeltäter oder zielgerichtet eingeschleuste Gruppen sind willens und in der Lage, Terroranschläge in Deutschland zu begehen", hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bereits bei der Vorstellung der bayerischen Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr mit Blick auf den islamistischen Terrorismus erklärt.
Laut der Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz geht die größte Gefahr hierzulande nicht von Anhängern der Hamas oder der pro-iranischen Hisbollah aus, die sich mit öffentlichen Äußerungen zurückhalten. Vielmehr gelingt es offenbar Terrorgruppen wie Al-Kaida oder dem Islamischen Staat (IS) wieder vermehrt, vorwiegend junge Menschen anzustacheln, indem sie die Opfer israelischer Bombardierung im Gazastreifen und die humanitäre Notlage in dem palästinensischen Gebiet als Teil einer vermeintlich anti-muslimischen westlichen Strategie darstellen.
Den Inlandsgeheimdienst trifft diese Entwicklung in einer Zeit, in der die Behörde nach eigenem Bekunden auch auf anderen Gebieten schon stark gefordert ist. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten hatte im vergangenen Jahr zum vierten Mal in Folge zugenommen und damit einen neuen Rekord erreicht.

Razzien und Festnahmen im Milieu der sogenannten Reichsbürger sowie Durchsuchungen bei gewaltbereiten Rechtsextremisten sind nur zwei Beispiele dafür, was die Verfassungsschützer und die Staatsschutz-Abteilungen der Polizei zurzeit sonst noch beschäftigt.
"Das Gefahrenpotenzial für mögliche Terroranschläge gegen jüdische und israelische Personen und Einrichtungen sowie gegen 'den Westen' insgesamt ist in der Folge deutlich angestiegen", heißt es weiter. Unter Dschihadisten beobachtet der Inlandsnachrichtendienst nach eigenen Angaben Aufrufe zu Attentaten und ein "Andocken" der Terrorgruppen Al-Kaida und Islamischer Staat (IS) an den Nahost-Konflikt.