Terror-Prozess: Angeklagter distanziert sich von Islamisten
München Der Bart ist kürzer, die Haare sind nachgewachsen. Statt eines grimmigen Islamisten sitzt auf der Anklagebank des Landgerichts ein netter junger Mann, der bereitwillig und freundlich Auskunft gibt - und seinen Anwalt Adam Ahmed gleich zu Prozessbeginn erklären lässt, dass er sich „von islamistischen Gruppierungen distanziert“.
Echte Umkehr oder prozesstaktisches Kalkül? Es geht um viel. Harun P. (27) wird gemeinschaftlicher Mord, versuchte Anstiftung zum Mord und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Syrien von Bundesanwalt Bernd Steudl vorgeworfen.
Der Münchner soll im Februar 2014 zusammen mit etwa 1600 Dschihadisten das Gefängnis in Aleppo mit Panzern und Maschinengewehren angegriffen und rund 300 Gefangene befreit haben. Dabei wurden laut Bundesanwaltschaft zwei syrische Soldaten und fünf Häftlinge getötet.
Außerdem habe er versucht, Verantwortliche der in Syrien gegen Assad kämpfenden Gruppierung „Junud Al-Sham“ (Soldaten Syriens) dazu zu bewegen, ein 16-jähriges Mädchen zu töten, das aus Syrien nach Deutschland zurückkehren wollte. Er habe Angst gehabt, sie könne ihn bei den deutschen Behörden verraten.
Die erste Überraschung ist Harun P. jedenfalls gelungen. Der Vorsitzende Richter des Staatsschutzsenats, Manfred Dauster, hatte mit eisigem Schweigen und einer dementsprechend kurzen Befragung des Angeklagten gerechnet - und deshalb bereits für den Vormittag einen Polizisten als Zeugen geladen. Doch der musste erst einmal nach Hause geschickt werden.
Denn Harun P. redet den ganzen Tag. Darüber wie er in München als Sohn afghanischer Eltern aufgewachsen ist, über seine Probleme mit dem strengen, religiösen Vater, über Alkohol-, Drogen- und Medikamentenkonsum.
Und darüber wie sehr ihn der Tod seiner Tochter im Jahre 2008 getroffen hatte. Das Mädchen starb kurz nach der Geburt. Das habe bei ihm „Hass auf alles“ ausgelöst. Damals habe er auch zum ersten Mal den Kontakt zu einem islamischen Geistlichen gesucht, der aber nicht zustande kam. Deswegen habe er bei der Beerdigung aus religiöser Sicht viele Fehler gemacht. Was ihn bis heute beschäftige. Tatsächlich bricht der 27-Jährige bei diesem Thema in Tränen aus. Die Verhandlung musste unterbrochen werden.
Im Jahr 2012 zerbricht dann die Beziehung zur Mutter des Kindes. „Mir ging es wirklich sehr, sehr schlecht“, sagt der Münchner, der sich daraufhin dem Islam zuwandte. Er begann, sich Internet-Videos salafistischer Hassprediger anzusehen, nahm an Demonstrationen teil, und schwor einem Islamisten sogar „Treue bis in den Tod“. Ihm sei es dabei um Anerkennung gegangen.
Anlass zur Ausreise nach Syrien war dann die Konfrontation mit einem Islamgegner: „Ich habe ihn bedroht, dass ich ihm den Kopf abschneiden werde.“ Deshalb habe er Angst gehabt, dass seine Bewährung für eine vorangegangene Gefängnisstrafe widerrufen werde. Außerdem habe sein Vater ihn aus der Wohnung geworfen.
Der Prozess wird am 5. Februar fortgesetzt.
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