Tempo 30 in München: Streit kommt in Fahrt
Referent Blume-Beyerle hat seinen Plan zum Langsamfahren nicht mit Oberbürgermeister Christian Ude abgesprochen. Am Dienstag kommt das Streitthema in den Stadtrat
München - Wenn Montagfrüh die elf Stadtminister zur wöchentlichen Referentenrunde bei OB Christian Ude zusammenkommen, dann geht’s rund. Denn während Ude in Lausanne als Strahlemann für Olympia 2018 geworben hatte, ließ sein KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle im Alleingang zuhause einen Kracher los: Er wolle Tempo 30 auf allen Münchner Straßen – wo dies möglich ist (AZ berichtete). Ude ist in Fahrt. Und schickte zum Wochenende dem parteilosen KVR-Chef einen schriftlichen Rüffel.
Eigentlich sind Udes Regierungsregeln seit 18 Jahren unmissverständlich. Das hat er auch Blume-Beyerle unverblümt geschrieben, wie Ude der AZ bestätigt: „Ich habe daran erinnert, dass gerade diskussionswürdige Vorlagen in der Referentenrunde angekündigt werden sollen.“ Für Ude ein absolutes Muss. Er will damit über brisante Papiere informiert werden und sie nötigenfalls aus dem Verkehr ziehen – bevor es Ärger gibt. Dass es einen solchen beim Tempo 30-Blitzstart geben musste, hätte klar sein müssen.
„Ich fand das nicht optimal“, sagte Ude der AZ. Ob er sehr angefressen ist? „Schreiben Sie lieber, ich bin wie im englischen Königshaus not amused.“
Ude weiß, was der KVR-Plan für Ärger bringen kann. Er ist noch gezeichnet von den alten Grabenkämpfen in der Verkehrspolitik. Überdies ist er mit dem Vorstoß in München nicht einverstanden: „Aus Münchner Sicht halte ich das für problematisch.“
Doch damit bugsiert sich Ude in eine problematische Situation: Im Deutschen Städtetag, wo er seit rund zehn Jahren im Präsidium sitzt, hat er diese Idee unterstützt, wie er zugibt: Da forderten kleinere Städte (genauso wie der Beirat des Bundesverkehrsministeriums) eine Umkehrung der Höchstgeschwindigkeit: Tempo 30 solle zur Regelgeschwindigkeit werden, Tempo 50 zur Ausnahme.
„Da stehe ich jetzt blöd da“, gesteht Ude der AZ. Fügt dann aber an: „Die kleineren Städte fangen erst jetzt damit an, Tempo-30-Zonen auszuweisen.“ Da könne das Sinn machen. „Aber in München gilt heute schon auf 80 Prozent der Straßen Tempo 30.“ Da müsse die Stadt „wegen ein paar strittiger Fälle wieder bei Adam und Eva anfangen“.
Er sei mit der Münchner Regelung zufrieden, nach der in problematischen Straßen (wie an Schulen) langsam gefahren werden muss. „Damit kann ich nicht über 5000 andere Städte bevormunden.“
Wie’s jetzt weitergeht? Der Stadtrat hat da nichts zu entscheiden. Das ist Sache des Bundestags und -rats. Deshalb schlägt der KVR-Chef vor: Ude solle beim bayerischen Innenminister vorstellig werden, damit der sich für generelles Tempo 30 einsetzt. Doch Joachim Herrmann (CSU) winkt ab. „Pustekuchen hat er gesagt“, wie Ude gehört hat. Herrmann: „Tempo 30 als generelles Tempolimit innerorts wird von uns nicht unterstützt.“ Deshalb werde er im Bundesrat auch keine Initiative vorantreiben.
Am Dienstag kommt das Thema in den Stadtrat. Die Grünen signalisieren Zustimmung. Doch die Fraktionschefs von SPD und CSU wehren ab. „Wir brauchen keine flächendeckende Tempoänderung in München“, so Alexander Reissl (SPD). „Wir diskutieren über neue Tunnel und den Ausbau des Verkehrsnetzes, da können wir nicht plötzlich das Tempo überall drosseln“, meint Josef Schmid (CSU).
Aktuell gibt es in München 346 Tempo-30-Zonen. Die jüngste ist seit Mai die Altstadt. Die nächsten kommen mit dem künftigen Lärmaktionsplan. Das KVR beruft sich auf eine „Flut“ von Anträgen. Damit könne „fast flächendeckend“ in München Tempo 30 eingeführt werden.