Telekom: Massenkündigungen wegen neuer Technik

München - Umsteigen, aber schnell: Die Telekom kündigt derzeit zigtausenden Kunden, wenn diese nicht freiwillig auf einen neuen Dienst des Kommunikationsanbieters umsteigen. Voice-over-IP (VoIP) heißt der und steht für das Telefonieren übers Internet (siehe Erklärung unten). Die Telekom will die neue Technik durchsetzen.
Von der Umstellung sind vor allem Großstädte betroffen, in denen die moderne Technik schon verfügbar ist – also auch München. Bis zum Jahr 2018 will die Telekom die Netze in ganz Deutschland von ISDN oder analoger Technik auf VoIP-Telefonie umstellen. Alle Telekom-Kunden, die noch einen alten Anschluss haben, sollen schnell wechseln.
Darum verschickt das Unternehmen Briefe, in denen die Kunden aufgefordert werden, auf die neue Technik umzusteigen. Sollte das nicht passieren, werde die Telekom den Anschluss kündigen. Die Frist zum Umstieg liege bei vier Wochen, berichten betroffene Kunden.
Ein überstürztes Vorgehen, das unnötig Druck ausübt, findet der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn (SPD). Er sagt: „Die Hauruck-Aktion überfordert viele Kunden, zum Beispiel ältere Menschen, komplett.“ Die Kundenbetreuung würde teilweise überhaupt nicht funktionieren. Deshalb fordert er: „Die Telekom muss massenhafte Kündigungen von Telefon- und Internetanschlüssen stoppen!“ Auch er sei Opfer der Kündigungswelle geworden, sagt Florian von Brunn. Er fürchtet, dass Telekom-Kunden viele Telekom-Kunden „nicht nur falsch beraten, sondern bei technischen Problemen im Regen stehen gelassen werden“.
Die Telekom kontert: Es gehe es gar nicht so schnell. Kunden würden viermal kontaktiert, bis die Kündigung eintrete, das erste Mal bereits vier Monate im Voraus. Den Umstieg brauche es einfach, denn das alte Netz werde „den Ansprüchen einer digitalen Gesellschaft nicht mehr gerecht“. Ältere Menschen seien oft gar nicht von der Umstellung betroffen, wenn sie nur einen Telefonanschluss und kein Internet haben. Das könne dann umgestellt werden, ohne dass die Kunden etwas merken. Außerdem sei die Umstellung recht unkompliziert, und man berate die Kunden jederzeit über eine kostenlose Hotline.
Derzeit würden bereits rund fünf Millionen Telekom-Kunden VoIP-Telefonie nutzen. Die Ursachen für technische Schwierigkeiten wie Ausfälle, die es anfangs gab, seien mittlerweile behoben.
Sicherheits-Bedenken: Versagt die Technik bei einem Notfall?
Der SPD-Politiker von Brunn sieht neben der Überforderung einiger Kunden aber noch ein weiteres Problem bei der Umstellung: Hausnotrufe oder Alarmanlagen mit Notrufmelder, die auf Knopfdruck eine Notrufnummer über das Telefon wählen. „Bei analogen beziehungsweise ISDN-Anschlüssen ist das meistens auch bei Stromausfall möglich“, sagt von Brunn. „Bei Voice-over-IP nicht“. Die neue Technik kann also zu einem Sicherheitsrisiko werden.
Bei der Telekom kennt man dieses Problem. „Einzelne analoge Sonderdienste und Geräte haben das Telefonnetz bisher als Stromversorgung genutzt. Dies ist im neuen Netz nicht möglich“, bestätigt ein Sprecher des Konzerns. Ohnehin sei das aber gar nicht ratsam, da „die Stromversorgung über das Telefonnetz beispielsweise Alarmanlagen angreifbar für Sabotage von außen macht“. Das Unternehmen empfiehlt daher, derartige Geräte über eine Batteriepufferung oder eine unabhängige Stromversorgung abzusichern. Außerdem seien moderne Notrufgeräte mit einem GSM-Modul erweiterbar, so dass ein Alarm auch zuverlässig über Mobilfunk abgesetzt werden könne.
Der Unternehmens-Sprecher kündigte außerdem an, dass die Telekom die Umstellung nun schrittweise vorantreibe.
Telefonieren übers Web: Das ist Voice-over-IP-Telefonie
Bei der Voice-over-IP-Telefonie (VoIP) werden Gespräche in Form von Datenpaketen über das Internet verschickt. Das Telefon sendet seine Signale also nicht über die Telefonleitung, sondern über Computernetzwerke. Das ist meist günstiger für Anbieter und Kunden, letztere brauchen dazu aber ein neues Router-Gerät.