Teile von Hauptsynagoge entdeckt: Charlotte Knobloch erinnert sich in der AZ

Bis zu eineinhalb Jahre kann es es dauern, bis die Trümmer gesichtet und sortiert sind. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, erinnert sich an die Zeit, als sie die Münchner Hauptsynagoge noch betreten konnte.
von  Guido Verstegen
"Sobald ich dann die ersten Fotos gesehen habe, gab es für mich keinen Zweifel mehr: Diese Steine sind ein Teil der jüdischen Geschichte Münchens", sagt Charlotte Knobloch über den Fund von Resten der ehemaligen Münchner Hauptsynagoge. (Archivbild)
"Sobald ich dann die ersten Fotos gesehen habe, gab es für mich keinen Zweifel mehr: Diese Steine sind ein Teil der jüdischen Geschichte Münchens", sagt Charlotte Knobloch über den Fund von Resten der ehemaligen Münchner Hauptsynagoge. (Archivbild) © imago/Bernd Elmenthaler

München - "Ich bin jede Woche auf der Großhesseloher Brücke, und ich muss ehrlich sagen, ich war richtig geschockt": Charlotte Knobloch konnte es gar nicht fassen, als ihr Kulturreferent Anton Biebl höchstpersönlich die Nachricht vom sensationellen Fund von Überresten der Münchner Hauptsynagoge übermittelte.

Charlotte Knobloch erinnert sich an die Hauptsynagoge: Beindruckt von Größe und Würde

"Nie im Leben hätte ich mir vorstellen können, dass ich mich damit noch einmal befasse!", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern der AZ.

Fragmente des Tora-Schreins aus Marmor an der Fundstelle am Großhesseloher Isarwehr. Die Reste der 1938 abgerissenen Münchner Hauptsynagoge waren bei Sanierungsarbeiten gefunden worden.
Fragmente des Tora-Schreins aus Marmor an der Fundstelle am Großhesseloher Isarwehr. Die Reste der 1938 abgerissenen Münchner Hauptsynagoge waren bei Sanierungsarbeiten gefunden worden. © -/Jüdisches Museum München/dpa

Die heute 90-Jährige kennt die Hauptsynagoge noch aus eigenem Erleben, war nach eigenen Angaben mit der Familie "oft am Schabbat und an anderen Feiertagen" in der Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße, mit deren Bau 1884 begonnen worden war und die dann 1938 auf Befehl von Adolf Hitler abgerissen wurde.

Charlotte Knobloch: "Das Gebäude erschien mir damals natürlich riesig"

"Ich war damals fünf oder sechs Jahre alt",  erinnert sich Charlotte Knobloch. Und: "Ich weiß noch, wie ich damals immer die Treppe rauf und runter bin, nach unten zu den Männern." Sie sei beeindruckt gewesen von der "schönen Akustik", der "Größe und Würde" der Synagoge. "Das Gebäude erschien mir damals natürlich riesig."

Sie werde sobald wie möglich wieder zur Brücke gehen, das müsse sie einfach sehen, sagte sie am Dienstag. Erst vor einem Monat hatte die Israelitische Kultusgemeinde  an den 85. Jahrestag des Abrisses der Synagoge erinnert. Knobloch: "Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass noch Fragmente der alten Hauptsynagoge erhalten sind, geschweige denn damit, dass wir sie noch zu Gesicht bekommen."

Charlotte Knobloch: "Diese Steine sind ein Teil der jüdischen Geschichte Münchens" 

Das Kulturreferat hatte nach dem Fund der Bauarbeiter gleich eine starke Vermutung, was die Herkunft der Steine anging, sogleich wurde Oberbürgermeister Dieter Reiter informiert – dann Charlotte Knobloch. "Als ich dann die ersten Fotos gesehen habe, gab es für mich keinen Zweifel mehr: Diese Steine sind ein Teil der jüdischen Geschichte Münchens." 

Charlotte Knobloch betont: "Ich lege seit jeher Wert auf die Feststellung, dass unsere Kultusgemeinde im Sommer 1945 nicht neu-, sondern wiedergegründet wurde. Die Traditionslinie geht zurück bis 1815."

Natürlich sei die Gemeinde nach 1945 eine völlig andere gewesen als vor der NS-Zeit: "Alle Relikte, die aus dieser alten Zeit auf uns kommen, sind deshalb besonders wertvoll, und für sichtbare Reste unserer alten Hauptsynagoge gilt das noch mehr."

Die Sichtung des Materials wird laut dem Direktor des Jüdischen Museums in München einige Zeit dauern. Etwa 150 Tonnen Schutt hätten Bauarbeiter aus der Isar gezogen, sagte Museumsdirektor Bernhard Purin am Mittwoch der Deutschen Nachrichtenagentur. Sie seien nach dem Krieg für Renovierungsarbeiten am Großhesseloher Wehr verwendet worden.

Museumsdirektor Bernhard Purin: Landesamt für Denkmalpflege übernimmt

Bis zu eineinhalb Jahre könne es dauern, bis man die Trümmer gesichtet und sortiert habe. Das Landesamt für Denkmalpflege sei nun federführend für die Arbeiten verantwortlich.

Reste des Gebäudes waren am 28. Juni bei Sanierungsarbeiten an dem Wehr an der Isar gefunden worden. Den großen Steinhaufen müsse man nun auf ein Gelände der Stadtwerke umlagern, um die Teile genauer unter die Lupe zu nehmen, sagte Purin. "Es sieht so aus als sei es eine Mischung aus Überresten der Synagoge und anderen Bauteilen, vermutlich vom Bombenschutz."

Der Museumsdirektor habe sich in dieser Woche selbst ein Bild vom Fundort gemacht: "Am beeindruckendsten finde ich die Steintafel mit der Inschrift der zehn Gebote, die früher über dem Tora-Schrank in der Synagoge hing", sagte Purin. Aber auch Säulenkapitelle und Rosetten seien unter den Fundstücken gewesen.

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