Tatort Seidlstraße: So trauern die Münchner am Tag danach

Rosen, Kerzen und ein Herz: Wo der Mini Cooper in den Demozug gerast ist, legen Münchnerinnen und Münchner am Morgen danach Blumen ab und zünden Kerzen an.
von  Irene Kleber
Marion Greinert (56), eine Erzieherin, versucht, ihren Schrecken zuverarbeiten und legt Blumen nieder: "Ich bin im Schock im Moment."
Marion Greinert (56), eine Erzieherin, versucht, ihren Schrecken zuverarbeiten und legt Blumen nieder: "Ich bin im Schock im Moment." © Daniel von Loeper

München - Weiße Rosen, Trauerkerzen, ein rotes Herz für die Opfer: Am Morgen nach der Wahnsinnstat, bei der ein Mini Cooper an der Seidlstraße in eine Gewerkschaftsdemo gerast ist, legen nicht nur Politiker und Verdi-Vertreter am Tatort Blumen ab. Auch viele Münchnerinnen und Münchner kommen zum stillen Gedenken an die Kreuzung im Stadtteil Maxvorstadt, knien kurz nieder, zünden Kerzen an oder legen Sträuße am Gedenkort ab.

"Ich möchte meine Solidarität mit den Betroffenen zeigen", sagtKai Deinat (27). Der Diakon hat eine Kerze zum Gedenkort gebracht.
"Ich möchte meine Solidarität mit den Betroffenen zeigen", sagtKai Deinat (27). Der Diakon hat eine Kerze zum Gedenkort gebracht. © Daniel von Loeper

"Ich will meine Solidarität zeigen"

"Ich will einfach meine Solidarität mit den Betroffenen zeigen", sagt etwa der Passant Kai Deinat (27). Der evangelische Diakon arbeitet in der Nähe und hat eine Kerze mitgebracht. "Es ist gut, wenn wir als Münchner jetzt zusammenstehen, den Opfern beistehen", sagt er. 

Marion Greinert (56), eine Erzieherin, versucht, ihren Schrecken zuverarbeiten und legt Blumen nieder: "Ich bin im Schock im Moment."
Marion Greinert (56), eine Erzieherin, versucht, ihren Schrecken zuverarbeiten und legt Blumen nieder: "Ich bin im Schock im Moment." © Daniel von Loeper

Marion Greinert (56), die Blumen niederlegt, ist Erzieherin. Sie wäre am Vortag auch bei der Streikdemo gewesen, erzählt sie, wenn sie nicht auf eine Beerdigung hätte gehen müssen. "Ich bin im Schock im Moment", sagt sie. "Ich bin jetzt hier, um die Ereignisse ein wenig zu verarbeiten. Etliche Kolleginnen seien im Demozug mitgelaufen, hätten die Schreie und den Schuss gehört. "Gottseidank ist keine von ihnen verletzt, das macht es ein kleines bisschen leichter."

"Im Gedenken an die Opfer", steht auf diesem roten Herz am Gedenkort an der Seidlstraße. Und jemand mahnt: "Gegen rechte Hetze".
"Im Gedenken an die Opfer", steht auf diesem roten Herz am Gedenkort an der Seidlstraße. Und jemand mahnt: "Gegen rechte Hetze". © Daniel von Loeper

"Normale Reaktion auf ein völlig unnormales Ereignis"

Weil nach solchen Ereignissen oft betroffene Menschen zum Tatort zurückkommen, ist auch Stephan Jansen vor Ort, der Leiter des Kriseninterventionsteams (KIT). Er hat am Vortag mit 29 Mitarbeitern seines Teams Augenzeugen, Ersthelfer und Angehörige betreut. "Viele Menschen spüren den Schock erst am Folgetag", sagt er. Dass es ihnen nicht gut geht, komme oft erst mit Verzögerung an. Er rät: "Wer Alpträume hat, nicht schlafen kann, dem raten wir, Geduld zu haben, alles anzunehmen, was kommt. Das ist eine normale Reaktion auf ein völlig unnormales Ereignis. Bilder gehen nicht einfach so weg." Man müsse sich Zeit geben. "Wer nach vier bis sechs Wochen noch immer keine Besserung merkt, oder sogar eine Verschlechterung, dem raten wir, sich therapeutische Hilfe zu nehmen. Oder sich wieder bei uns zu melden."

© Irene Kleber

Das Krisenteam der Stadt München ist unter 089/127 185 90 zu erreichen (8-22 Uhr)

Kinder-Krisenteam: 089/ 99 74 09 020 (8-16 Uhr)

KIT: 089/ 74 36 33 33 

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