Tanzen wie die Münchner, feiern wie die Kölner
ALTSTADT - Völkerverständigung auf dem Viktualienmarkt: Die Marktweiber tanzen erst vor ihren Standln und dann beim Karneval in der Schranne. Ihre Darbietung widmen sie auch Michael Jackson
Allen Gerüchten zum Trotz: Dem Münchner Fasching geht die Luft längst nicht aus. Dafür sorgen die tanzenden Marktweiber und die Kölner. Ganz spontan haben die Damen gestern die Einladung von Joachim Pohl, Veranstalter von „Köln meets München“ in der Schrannenhalle, angenommen. Heute um 20 Uhr tanzen sie ein zweites Mal: in der Schrannenhalle.
Los geht’s für die Damen natürlich in aller Frühe. Noch mitten in der Nacht werden die Standl auf dem Viktualienmarkt für den Fasching gerüstet. Um elf Uhr dann das Highlight: Die zwölf tanzenden Marktweiber, darunter gleich zwei Debütantinnen, erobern die Bühne. Vier Monate haben sie dafür geprobt. Christine Lang, die seit 21 Jahren für die Obst- und Gemüsehändler tanzt: „Wir haben verschiedene Tänze für Jung und Alt. Auch eine Überraschung ist dabei. Nur soviel: Es hat mit Michael Jackson zu tun.“
Für zwei Songs haben die Marktweiber prominente Unterstützung. Die Band Donikkl hat extra einen anderen Termin abgesagt und nun ihre Hits „Fliegerlied“ und „Aram Sam Sam“ dabei. Christine Lang würde gern noch mehr hören, aber: „Leider dürfen sie nach unserem Auftritt kein Stimmungslied mehr spielen.“
Neues Konzept für den Viktualienmarkt
Das hängt mit dem neuen Konzept der Stadt für den Fasching auf dem Viktualienmarkt zusammen. Ruhiger soll es zugehen, nachdem der Markt vor zwei Jahren wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Große DJ-Tower und Live-Bands sind tabu, die Standlbesitzer sorgen jetzt selbst für Musik. Marktfrau Lang bedauert die Entwicklung, findet es jetzt zu „gedämpft“. „Ich glaube, der Stadt wäre es am liebsten, wir würden nur noch bayerische Musik spielen“, sagt sie genervt. „Das finde ich langweilig. Zum Fasching gehört doch fetzige Musik und Tanz.“
Dass auch das Publikum auf dem Markt tanzt, dafür will heuer der Tanzlehrer der Marktweiber, Christian Langer, sorgen. Ab etwa 13 Uhr studiert er mit den Besuchern die Münchner Francaise und Polka ein – á la Kocherlball.
Um 18 Uhr ist Schluss auf dem Viktualienmarkt, der Fasching geht weiter. Die Marktweiber und viele Gäste werden umziehen – dorthin, wo sich bayerische Gemütlichkeit und rheinische Fröhlichkeit paaren: „Kölsch meets München“ in der Schrannenhalle. Hier sind um 20 Uhr wieder die tanzenden Marktweiber dran, zum Gipfel des münchnerisch-kölschen Faschings.
Die Schranne ist Münchens neue Faschingshochburg
Veranstalter und Exil-Rheinländer Pohl ist seit Tagen fast rund um die Uhr auf den Beinen. Der Grund: Seit Weiberfasching hat sich die Schrannenhalle zur Münchner Faschingshochburg gemausert - mit bis zu 3000 Gästen pro Abend. Als die Veranstaltung 2009 in der Freiheizhalle gastierte, waren es nur halb so viele.
Mettbrötchen, Kölsch und „Höhner“ – ist das die rettende Formel für den Münchner Fasching? Pohl: „Jeder hat Spaß. Es wird mitgesungen, Polonaise getanzt und geflirtet.“ Unterschiede zum Kölner Karneval gibt’s aber dennoch, vor allem musikalisch. Die aktuellen Faschingshits aus dem Rheinland haben es noch nicht bis an die Isar geschafft, bedauert Pohl: „Der Renner ist nach wie vor Viva Colonia, das können die Münchner mitsingen.“ Die gute Stimmung ist nach Meinung von Pohl auch den Exil-Rheinländern zu verdanken. „Rund um München leben 40000 Rheinländer. Viele sparen sich die sechseinhalb Stunden Fahrt und feiern hier mit uns“.
Tanzen auf dem Viktualienmarkt, Feiern in der Schrannenhalle – das ist seit heute kein Entweder-Oder mehr.
Vanessa Assmann