AZ Rückblick: 1976 - Muhammad Ali kämpft in der Olympiahalle

Nachts um halb vier ertönte der erste Gong. Der WM-Kampf von Muhammad Ali in der Olympiahalle fand zu einer bizarren Zeit statt: Die Münchner Boxfans mussten die Nacht des 24. Mai 1976 durchmachen, um den Weltmeister zu sehen.
Aber sie standen nun mal nicht im Zentrum des kommerziellen Interesses – sondern die Fernsehzuschauer in den USA. Der Sender NBC hatte die Rechte gekauft, also fand Alis Kampf gegen den Briten Richard Dunn zu einer Zeit statt, die für US-Boxfans deutlich komfortabler war als für die Münchner Zuschauer.

Ali's Deutschland-Debüt: Die unkonventionellen Macher hinter dem Event
Auch darüber hinaus brachte Alis Team eine Form des Sport-Kommerzes nach Deutschland, die hier noch unbekannt war. Ali und sein Gegner trainierten eine Woche lang im Circus Krone – öffentlich, für zehn Mark Eintritt. Im Boxring moderierte damals der 28-jährige Waldemar Hartmann, der später als Sportmoderator sehr bekannt wurde.
Damals betrieb er eine Kneipe in der Augsburger Innenstadt und arbeitete für lokale Zeitungen. In der Woche, bevor Ali nach Deutschland kam, wurde Hartmann von einem Bekannten gefragt, ob er die Pressebetreuung und die Moderation im Kronebau übernehmen könne. Der Bekannte war ein Augsburger Steuerberater, der gemeinsam mit einem Gerichtsvollzieher und einem Anwalt den Kampf veranstaltete.
Die drei hatten sich in den Kopf gesetzt, Ali nach München zu holen, und dafür eine GmbH gegründet. Ali war nach seinem letzten großen Kampf 1974 auf dem absteigenden Ast, und in seinen letzten Profijahren haben seine Leute alles Mögliche mitgemacht, wenn jemand dafür gezahlt hat.
Vorbereitung auf unkonventionelle Weise
Für Ali und sein Team wurde eine ganze Etage im Bayerischen Hof gemietet. Zum Joggen ging der Weltmeister in den Englischen Garten, zum Trainieren in den voll besetzten Circus Krone. Jeden Tag kamen 1200 bis 1500 Leute, um ihn im Ring zu sehen. Doch an einem Tag zog er seine Boxhandschuhe gar nicht an, seine einzige Trainingseinheit war: Seilspringen.
Hartmann, der die Stimmung in der Halle aufmerksam im Auge behielt, hoffte insgeheim, dass Ali eine andere Darbietung zeigen würde. Dennoch sah er, wie Ali unbeirrt mit dem Seilspringen fortfuhr. In der Zwischenzeit bemerkte er, dass keiner der Zuschauer sich beschwerte. Im Gegenteil, alle schauten fasziniert zu, was Hartmann schließlich zufrieden zur Kenntnis nahm.
An einem anderen Trainingstag nahm Ali ihn zur Seite und sagte, er solle Gegner Richard Dunn als "künftigen Schwergewichts-Weltmeister" ankündigen. So wollte Ali, der Entertainment-Profi, die Spannung vor dem Kampf gegen einen weitgehend unbekannten Gegner anheizen. Schließlich galt es, Karten zu verkaufen. "Dunn war durch einen Lucky Punch Europameister geworden, den kannte vorher keiner und danach erst recht keiner", sagt Hartmann.

Unerwartete Hindernisse und überraschende Unterstützung
Er kündigte den Briten also im Circus Krone als künftigen Weltmeister an – dann passierte die Panne: Einer von Alis Sparringspartnern, ein Modellathlet aus Nigeria, trainierte mit Dunn – und schickte ihn auf die Bretter. "Der hat ihn voll umgehauen", sagt Hartmann. Beim Showtraining, wohlgemerkt. Am nächsten Tag sagte Ali zu Hartmann: "Vergiss es".
Der Gegner war also wenig hilfreich, um den Kampf zu bewerben, eher schon ein Schwergewicht eines anderen Genres: Rudi Carrell. Der kam in den Circus Krone, um für seine Sendung "Am laufenden Band" zu drehen.
Carrells Leute waren selbst perplex, dass Ali bei allem mitgespielt hat. Aber die haben eben alles gemacht, weil sie die Halle vollbekommen wollten.
Herausforderungen bei der Ticketverkauf und ein vorhersehbarer Kampf
Das klappte trotzdem nicht, schließlich waren die Karten für den Nachtkampf in der Olympiahalle teuer, in den ersten Reihen kosteten sie um die 1000 Mark – damals Fantasiepreise. "Ganz vorne saßen Herren in weißen Anzügen, die extra aus Berlin gekommen sind. Wenn man in einer Quizshow deren Berufe hätte erraten müssen, wäre das die Fünf-Euro-Frage gewesen", sagt Hartmann. Aber nur mit reichen Zuhältern kriegt man die Olympiahalle eben nicht voll, also wurden in der McGraw-Kaserne Tickets an GIs verschenkt. Die sollten nicht nur die Plätze füllen, sondern auch für Stimmung sorgen.
Das war wohl nötig, der Kampf wurde so einseitig, wie zu befürchten war. In der fünften Runde schlug Ali seinen Gegner K.O. Ein Zufall? Für genau so viele Runden hatte der US-Sender NBC Werbung gebucht. "Ali hat Dunn fünf Runden lang mittanzen lassen und ihm dann einen Haken versetzt, mit dem es diesen vom Boden gehoben hat", sagt Hartmann. Und resümiert: "Die kamen nach München, um Kohle abzuholen."
Die einzigartige Aura von Muhammad Ali: Ein Blick zurück
Es sollte Alis letzter K.o.-Sieg sein, zwei Jahre später verlor er seinen Weltmeister-Titel. Wie hat Waldemar Hartmann den Mann erlebt, den er wie alle in dessen Team nur mit "Champ" ansprach? "Er war kein Schulterklopfer", sagt der Moderator, der jahrzehntelang Sportstars aus der Nähe erlebte. "Er war eine imposante Figur. Ich habe in meinem Leben ein paar Menschen mit Aura erlebt. Einer davon war Papst Johannes Paul II. Ein anderer war Muhammad Ali."

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