Tanken bei Gaddafi – in Giesing
München - Direkt daneben ist das Trainingsgelände der Löwen, wer die Tankstelle verlässt, fährt an der Ausfahrt am 60er-Schild vorbei. Die Tankstelle an der Grünwalder Straße ist die einzige HEM-Tankstelle in München – sie ist im Besitz des Konzerns Tamoil, der zu 100 Prozent dem libyschen Staatsfonds LIA gehört. Gaddafi in Giesing, davon wissen die meisten Kunden hier nichts.
Die Tankstelle liegt bestens, außerdem ist sie sehr günstig – und deswegen immer voll. „Ich wusste nicht, dass die Tankstelle den Libyern gehört“, sagt Ernst Kloda. Der Kurierunternehmer ist gerade mit dem Mercedes vorgefahren. „Wenn ich gewusst hätte, dass Gaddafi hier Geld verdient, hätte ich hier nicht getankt – schon vor 20 Jahren nicht, denn auch damals wusste man, was für einer Gaddafi ist.“ Kloda will in Zukunft hier nicht mehr tanken, allerdings sagt er auch: „Mir ist klar, dass wir bei vielen anderen Unternehmen auch nicht wissen, wessen Geld da eigentlich drinsteckt.“
Auch die Rentnerin Rosa Schmidt-Obert war bisher ahnungslos. Sie wohnt in der Nähe, die Tankstelle liegt auf dem Heimweg. „Natürlich mache ich dann hier Halt. Aber Gaddafi ist ein Verbrecher.“ Eine junge Frau, die sehr in Eile ist, versteht die Aufregung überhaupt nicht. „Ich tanke hier, weil’s billig ist. Und wer ist denn Gaddafi?“
Norbert Klier, der die Tankstelle seit vier Wochen betreibt, ärgert sich über die „Welle“, die nun gemacht wird. „Meinen Sie, aus einer anderen Zapfsäule kommt kein libysches Öl?“, fragt er. „Ich stehe auch nur jeden Tag auf, um hier zu arbeiten und meine Familie zu ernähren. Und Tamoil hat doch mit den Vorgängen in Libyen nichts zu tun“, sagt Klier. „Außerdem gehört Tamoil hauptsächlich einem libyschen Privatmann, der in den USA lebt.“
Was nicht so ganz stimmt. Im Staatsfonds LIA stecken ausschließlich Devisenreserven des Landes. Bis vor wenigen Tagen stand an der LIA-Spitze der Investmentbanker Mohammed Lajas, ein enger Gefolgsmann Gaddafis.
„Wie alle anderen Staatsfonds der Region steht auch die LIA unter der Kontrolle des Herrschers“, sagt der Staatsfondsexperte Sven Behrendt vom Genfer Beratungshaus Geoeconomica der „Financial Times Deutschland“.
Der Feuerwehrler Gerhard Kopp weiß das. „Das habe ich in den letzten Tagen gelesen.“ Gestört hat es ihn nicht. „Ich habe keine moralischen Bedenken. Ich habe auch ein Konto bei der Hypobank. Soll ich das jetzt auflösen, weil die Libyer an der Unicredit beteiligt sind, die die Hypo übernommen hat?“
Für Gerhard Kopp ist vieles in der Politik Doppelmoral. „Dass Gaddafi ein Irrer ist, ist bekannt. Aber jahrelang hat man ihn gewähren lassen, sogar Geschäfte mit ihm gemacht – und jetzt auf einmal ...wenn es günstig ist, werde ich also weiter hier tanken“, sagt Kopp. Als ihn der AZ-Fotograf ablichten will, lacht er. „Bitte nicht mit dem 60er-Schild im Hintergrund. Als Bayern-Fan hab’ ich da Prinzipien.“
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